Was ist eine Dach-ARGE?
Die Dach-ARGE ist eine spezielle Form von Arbeitsgemeinschaften (Bau-ARGEn), die zusammen an einem Bau-Projekt arbeiten. Die Dach-ARGE ist in der Regel für die Planung und Durchführung eines Projekts verantwortlich und setzt sich aus den beteiligten Unternehmen zusammen. Die Dach-ARGE wird synonym auch als Los-ARGE oder Kopf-ARGE bezeichnet und überwiegend im Bauhauptgewerbe bei größeren Bauvorhaben im Ingenieur- und Verkehrsbau herangezogen, seltener im Ausbaugewerbe.
Die Dach-ARGE ist für ein größeres Bau-Projekt verantwortlich und setzt sich aus den beteiligten Unternehmen zusammen.
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Das sind die Merkmale einer Dach-ARGE
Die Dach-ARGE ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zur Ausführung des Bauauftrags die erforderlichen Bauarbeiten auf Einzellose überträgt. Das Los kann entweder aus einem Einzelgesellschafter (gleich Einzellos) oder auch aus einer ARGE bestehen. Die einzelnen Gesellschafter erfüllen bei der Dach-ARGE ihre gesellschaftlichen Pflichten durch ihre selbstständige und eigenverantwortliche Bauleistung für das jeweilige Einzellos.
Rechtsbeziehungen einer Dach-ARGE
Die folgende Übersicht veranschaulicht die Verknüpfungen und Rechtsbeziehungen einer Dach-ARGE zum Außen- und Innenverhältnis von beteiligten Partnern:
Hierzu wird für das Einzellos ein auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beruhendes Nachunternehmerverhältnis zwischen Dach-ARGE und Einzellos gebildet. Die beteiligten Gesellschafter treten praktisch wie Nachunternehmer gegenüber der Dach-ARGE auf. Es besteht eine Doppelfunktion der Gesellschafter. Einerseits sind die Gesellschafter zugleich Auftraggeber auf der Ebene der Dach-ARGE und zum anderen Auftragnehmer für die einzelnen Lose auf bauvertraglicher Rechtsgrundlage. Die Dach-ARGE hat die Tätigkeiten der Beteiligten bzw. Einzellose zu koordinieren.
Praktische Hilfe: Der Mustervertrag
Die Pflichten und Rechte zum Vertragsverhältnis in der Dach-ARGE sind zwischen den beteiligten Unternehmen als Gesellschafter sowie auch gegenüber dem Auftraggeber und ggf. Dritten vertraglich zu regeln. Dafür kann der vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) herausgegebene Dach-ARGE-Vertrag (angeführt unter ARGE-Musterverträge) herangezogen werden.
Dieser Mustervertrag liegt als aktualisierte und überarbeitete Fassung 2016 vor. Er ist erhältlich in digitaler Version oder Printform bei der BWI-Bau GmbH Düsseldorf. Der Mustervertrag ist für die Dach-ARGE nicht verpflichtend. Sie kann auch einen individuell gestalteten und abgefassten Gesellschaftervertrag für die Rechtsbeziehungen verwenden. Ein Vertragsmuster bietet jedoch bessere Voraussetzungen zur Berücksichtigung inhaltlicher Verpflichtungen und für die Rechtssicherheit.
Der Dach-ARGE-Vertrag übernimmt weitestgehend den Aufbau, die Paragrafenfolge und Inhalt des ARGE-Vertrags, wie er für eine Normal-ARGE verwendet und unter diesem Link dargestellt wird. Gegenüber dem ARGE-Mustervertrag mit 55 Seiten ist der Dach-ARGE-Vertrag in der Fassung 2016 mit 31 Seiten kürzer. Er ergänzt zugleich auch das Formular zum Bietergemeinschaftsvertrag. Besondere Aspekte des Dach-ARGE-Vertrags
Hervorzuheben sind besonders folgende Erfordernisse, die spezifisch für eine Dach-ARGE mit Bezug auf den Mustervertrag sind:
- Aufteilung der Vertragsarbeiten in Einzellose (§ 2)
- das endgültige Beteiligungsverhältnis ist nach Abrechnung der Einzellose zu bestimmen
- eine Bauleitung als Organ der ARGE (§ 5) ist nicht erforderlich
- Regelungen für Personal-, Geräte- und Stoffbereitstellungen (§§ 12 bis 15) entfallen, sofern nicht die Aufsichtsstelle der Dach-ARGE in besonderen Fällen etwas anderes beschließt
Zum Dach-ARGE-Vertrag 2016 sind gegenüber vorheriger Version folgende Aktualisierungen sowie inhaltliche Anpassungen hervorzuheben:
- Haftung der Gesellschafter untereinander nach § 276 BGB unter Ausschluss leichter Fahrlässigkeit
- Verpflichtung zur inhaltsgleichen Übernahme von Sicherheiten in § 3, wenn ein neuer bzw. umgewandelter Gesellschafter in den Vertrag eintritt
- Aufnahme einer Frist von 30 Kalendertagen für die Prüfung von Rechnungen der Gesellschafter an die Dach-ARGE und umgekehrt nach Eingang beim Empfänger in § 8.9
- Bestimmungen zum Qualitätsmanagement und zur elektronischen Kommunikation in § 10.5 bis 10.10
- Verweis auf in der EU zugelassene Kreditversicherer/Kreditinstitute zu Sicherheiten in § 11.25
- Aktualisierungen zu Regelungen bei elektronischem Zahlungsverkehr in § 11.4 und 11.6
- Aufnahme der Pflicht der Kaufmännischen Geschäftsführung in § 16.3 und 16.41, allen Gesellschaftern kopierte Versicherungspolicen zu übergeben
- Aufnahme von Verpflichtungen zu Compliance in ARGE-Verträgen in § 19.4
- neue Regelungen zu Rückbürgschaften in § 20 mit Bezug auf die Rechtsprechung
- Aufnahme der Möglichkeit, für eine Mängelbeseitigung entstandene Kosten unmittelbar zwischen den Gesellschaftern auszugleichen nach § 21
- Neufassung des § 22 zum Vertragsende
- Neufassung des § 23 zum Ausscheiden eines Gesellschafters einschließlich Klarstellungen zum insolvenzbedingten Ausschluss eines Gesellschafters in § 23.41 und 23.52
- Aufnahme aktualisierter Regelungen in § 24.9 und 10 zur Herausgabe von Unterlagen, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter ausgeschlossen werden sollte
- Aktualisierungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung in § 27, wofür geltend auf die Streitlösungsverordnung für das Bauwesen (SL Bau) verwiesen wird, wenn die Gesellschafter keine Schiedsgerichtsordnung bestimmt haben
Zusätzliche vertragsrechtliche Regelungen
Für das Nachunternehmer-Verhältnis zwischen Dach-ARGE und den Einzellosen werden in der Regel zusätzliche vertragsrechtliche sowie über den jeweiligen gesellschaftsvertraglichen Beziehungen stehende Bestimmungen im § 25 getroffen.
Von besonderer Bedeutung sind:
- die Pflicht der Technischen Geschäftsführung zur Vorbereitung, zum Abschluss und zur Ausfertigung der Nachunternehmerverträge, z. B. folgende inhaltlichen Festlegungen:
🗸 | Bürgschaft Einzellos = Bürgschaft Dach-ARGE |
🗸 | Ausführungsfestlegungen Dach-ARGE = Ausführungsfestlegungen Einzellos |
🗸 | Ausscheiden aus Dach-ARGE = Ausscheiden aus Einzellos |
🗸 | Klärungen zur Baustelleneinrichtung (BE) bzw. zu Anteilen der gemeinsamen Nutzung u. a. |
- Zusammenarbeit zwischen ARGE und Losen, z. B.:
🗸 | übergeordnetes Interesse der Dach-ARGE gegenüber Einzellos |
🗸 | Direktverhandlungen Einzellos - Auftraggeber nur mit Zustimmung der Aufsichtsstelle |
🗸 | Ausschluss des Stimmrechtes bei Aufsichtsstellenbeschlüssen zum Vor- oder Nachteil eines Einzelloses für die am Einzellos beteiligten Gesellschafter |
Rechnungslegung bei Dach-ARGEn
Von den Gesellschaftern der Dach-ARGE sind die Rechnungen über Bauleistungen an die Dach-ARGE nur mit Ausweis des Nettobetrages auszustellen. Für diese Leistungen gilt Steuerschuldnerschaft für Bauleistungen (nach § 13b Umsatzsteuergesetz-UStG).
Bei der Dach-ARGE entsteht die Umsatzsteuer mit Eingang der Rechnungen von den Gesellschaftern, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Bauleistung folgenden Kalendermonats. Die Dach-ARGE als Leistungsempfänger kann aber die von ihr geschuldete Umsatzsteuer als Vorsteuer absetzen. Die Ausgangsrechnungen der Dach-ARGE erfolgen meistens mit Umsatzsteuer, wenn für den Auftraggeber als Bauherrn ebenfalls Steuerschuldnerschaft maßgebend ist. Zusätzlich zur Rechnungslegung sind noch folgende Akzente wichtig und ggf. im Dach-ARGE-Vertrag zu vereinbaren:
- Rechnungen des Einzelloses ergehen grundsätzlich an die Dach-ARGE
- Schlussrechnungen an Dach-ARGE erst nach Eintritt der Schlussrechnungsreife beim Auftraggeber
- Verhandlungen über Rechnungskürzungen etc. mit Auftraggeber nur mit Zustimmung des Einzelloses
- Zahlungen der Auftraggeber werden sofort (nach Rückerstattungen von evtl. Barauslagen eines Gesellschafters) an Einzellose weitergegeben
- verkürzte Zahlungen des Auftraggebers werden bei Zuordenbarkeit an das Einzellos weitergegeben, anderenfalls erfolgt Verteilung nach Beteiligungsverhältnis
- über Durchsetzung strittiger Forderungen gegenüber Auftraggeber entscheidet die Aufsichtsstelle
- kein Durchsetzen strittiger Forderungen des Einzelloses gegenüber Dach-ARGE bis zur Übertragung dieser Aufgabe an Einzellose bzw. bis zur Schlusszahlungserklärung
- interner Zahlungsausgleich bei Kürzungen des Auftraggebers wegen Saldierung von Rechnungsposten
Angebotskalkulation für eine Dach-ARGE
Für eine losweise Aufteilung der Bauleistungen der Dach-ARGE liegen die Ausgangsgrundlagen auch meistens für die Lose getrennt vor, z. B. eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (LV). In diesem Fall kann und sollte auch die Kalkulation von jedem Gesellschafter für sein Los eigenverantwortlich erfolgen und durch die Dach-ARGE nur eine Zusammenführung zum Gesamtangebot vorgenommen werden. Daraufhin sind anschließend Leistungsbeschreibungen mit Leistungsmengen in der Differenzierung nach den Losanteilen aufzustellen. Die Unterlagen liefern die Grundlagen für die Kalkulation des Angebots von der Bietergemeinschaft, das dann den beteiligten Gesellschaftern zur Bestätigung vorgelegt wird. Den Gesellschaftern bleibt überlassen, wer mit welchen einzelnen Aufgaben für die restliche Bauplanung und Angebotserarbeitung zu beauftragen ist.