Baukalkulation / Angebot / Nachträge

Detaillierte Ausgleichsberechnung von Nachträgen

Im Rahmen einer Ausgleichsberechnung bei Nachträgen gilt die "detaillierte" Ausgleichsberechnung gegenüber der überschlägigen Ausgleichsberechnung von Nachträgen in der Regel auch als die "genauere" Ausgleichsberechnung. Diese spezielle Form berücksichtigt bei jeder Leistungsposition im Nachtrag die kalkulierten Preiselemente der Baustellengemeinkosten (BGK), der Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) sowie von Gewinn und Wagnis (differenziert nach betriebsbezogenem und leistungsbezogenem Wagnis). Aussagen hierzu liefern die ausgewiesenen Zuschläge bzw. Preisanteile - differenziert nach den Kostenarten wie Löhne, Stoffe, Geräte u. a. - in den zum Angebot verlangten ergänzenden Formblättern Preise 221 bis 223 (EFB-Preis) nach Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017).
Die Wirkung der Nachtragspositionen auf die Gesamtpreise als Gesamtvergütung ist bei dieser Berechnungsform unwichtig bzw. nebensächlich. Auch wird bei dieser Methode ein Einfluss evtl. aus dem vom Bieter für seine Angebotskalkulation gewählten Kalkulationsverfahren wie Zuschlags- oder Endsummenkalkulation ausgeschlossen, weil ggf. vorliegende unterschiedliche Gemeinkostenzuschläge auf die einzelnen Kostenarten berücksichtigt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass zu allen Leistungspositionen jeweils die Gemeinkostenzuschläge sowie zu Gewinn und Wagnissen detailliert nach Prozenten und absoluten Beträgen berechnet und ausgewiesen vorliegen und in die Nachtragsprüfung und -auswertung einbezogen werden können.
Innerhalb einer Nachtragsart nach der VOB in § 2 Abs. 3 bis 10 VOB/B werden die entsprechenden Positionen aus verschiedenen Nachträgen zusammengefasst. Die mengenmäßigen Veränderungen werden mit den Anteilen der Gemeinkosten sowie Gewinn und Wagnis, sprich dem Deckungsbeitrag (teils mit und teils ohne leistungsbezogenem Wagnisanteil) multipliziert. Der Ausgleichsbetrag stellt sich danach aufaddiert aus der jeweiligen Unter- oder Überdeckung von BGK und AGK sowie Gewinn und ggf. Wagnis der einzelnen Leistungspositionen dar.
Bei Mengenminderungen, weggefallenen Leistungspositionen und Leistungen aus Teilkündigungen kann das leistungsbezogene Wagnis nicht berücksichtigt werden, weil diese Leistungen nicht zur Ausführung kamen und folglich dieses Wagnis (z. B. Einzelwagnisse) dafür auch nicht anfallen kann. In die Ausgleichsberechnung sind in der Regel auch alle sonstigen Vergütungsansprüche nach VOB und BGB mit einzubeziehen, wobei nur Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche und nicht vergütungsbezogene Kostenerstattungen ohne Berücksichtigung bleiben.
Für öffentliche Bauaufträge im Hochbau sieht der "Leitfaden für die Vergütung von Nachträgen" als Richtlinie 510 im VHB-Bund (Ausgabe 2017) eine detaillierte Ausgleichsberechnung über die Gemeinkosten sowie W&G mit Beispielrechnung als Variante unter Tz. 7.6.2 vor, wozu auch die Aussagen unter Tz. 2 sowie zur Ausgleichsberechnung unter Tz. 6 zu beachten sind. Eine mögliche Vergütungsanpassung ist mit dem Formblatt 521 (Vergütungszuordnung und -berechnung) nachzuweisen, anschließend zu prüfen und dem Prüfungsvermerk (Formblatt 522) beizufügen.
Bezüglich von Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau werden im HVA B-StB ebenfalls Aussagen im Teil 3 unter Tz. 3.4 - Nachträge - getroffen und spezifische Regelungen zur Gemeinkostenausgleichsberechnung bei Nachträgen vorgegeben.
Bei den 10 % überschreitenden Leistungsmengen im Ist gegenüber dem Soll sind für die Differenzmengen je Position die mengenunabhängigen (fixen) auftrags- und betriebsbezogenen Preisanteile zu bestimmen und mit Bezug auf die Mehrmenge als Betrag und in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen. Dabei wird der Wegfall von Leistungen " allgemein nicht mehr als Nachtragsart einer Leistungsänderung, sondern als Sachverhalt einer "Teilkündigung" mit Vergütungsanspruch bei Kündigung des Bauvertrags angesehen. Danach kann die Einbeziehung in die Gemeinkostenausgleichsberechnung entfallen.

Beispiel: Detaillierte Ausgleichsberechnung von Nachträgen

Nach VHB-Bund, Richtlinie 510 unter Tz. 7.6.2 im VHB-Bund der Ausgabe 201.
Grundlage liefern folgende Positionen mit Aussagen aus dem Leistungsverzeichnis (LV) eines Angebots:
PositionMengeEPGB
1Beton Streifenfundamente40,000 m³180,00 €/m³7.200,00 €
2Mauerwerk Wände200,000 m²90,00 €/m²18.000,00 €
3Zusätzliche Leistung: Innenputz300,000 m²12,00 €/m²3.600,00 €
Die Kalkulationsgrundlagen weisen als Preisanteile in % für
Gemeinkosten (BGK + AGK)=22 %
Gewinn=3 %
Betriebsbezogenes Wagnis=1 %
Leistungsbezogenes Wagnis=2 %
jeweils vom Einheitspreis (EP) bzw. Gesamtbetrag (GB) der Leistungsposition aus.
Während der Ausführung stellen sich folgende Situationen dar:
Pos. 1 =Wegfall der gesamten Leistungsmenge
Pos. 2 =tatsächlich ausgeführte Menge 270 m²
folglich eine Mehrmenge von 50 m² vorliegend als 110 % = 220 m² überschreitende Menge im Ist
Pos. 3 =zusätzliche Leistung nach Anordnung des Auftraggebers
Die detaillierte Ausgleichsberechnung (direkte Berechnung) stellt sich danach folgendermaßen dar:
1. Unterdeckung aus Wegfall der Leistung in Leistungsposition 1
Gemeinkostenanteil einschließlich Gewinn und betriebsbezogenes Wagnis werden nicht gedeckt und müssen daher abgezogen werden:
(22 % + 3 % + 1 %) = (26 %)
./. (26 %) von 180,00 €/m³ = ./.(46,80 €/m³)
./. (46,80 €/m³) x 40,000 m³= ./. 1.872,00 €
Das leistungsbezogene Wagnis findet keinen Ansatz, da die Leistung nicht ausgeführt wird.
2. Ausgleich infolge Überdeckung aus Mehrmenge in Leistungsposition 2
Gemeinkosten (BGK, AGK), Gewinn sowie Wagnisse als kalkulierte Preisanteile im Angebot mit Bezug auf die Mehrmenge:
(22%+ 3% + 1% + 2 %) = (28 %)
28 % von 90 m² = 25,20 €/m²
25,20 €/m² x 50 m²=+ 1.260,00 €
3. Ausgleich infolge Überdeckung aus zusätzlicher Leistung mit Leistungsposition 3
Gemeinkosten (BGK, AGK), Gewinn sowie die Wagnisse als kalkulierte Preisanteile im Hauptangebot:
(22%+ 3% + 1% + 2 %) = (28 %)
28 % von 12,00 €/m² = 3,36 €/m²
3,36 €/m² x 300 m²=+ 1.008,00 €
4. Differenz als Ausgleich aus allen Unter- und Überdeckungen
./. 1.872,00 € + 1.260,00 € + 1.008,00 € =+ 396,00 €
Die Unterdeckung von Gemeinkosten, Gewinn und betriebsbezogenem Wagnis aus dem Wegfall der Leistung (Pos. 1) wird durch eine Überdeckung aus der Mehrmenge und der zusätzlichen Leistung voll ausgeglichen. Vom Bauunternehmen als Auftragnehmer kann kein Anspruch auf Ausgleich geltend gemacht werden.
Anders würde sich die Berechnung darstellen, wenn die zusätzliche Leistung der Pos 3 im Ist nicht 300 m², sondern nur 100 m² umfasst. Dann beträgt die Überdeckung aus Pos. 3 nur:
28 % von 12,00 €/m²=3,36 €/m²
3,36 €/m² x 100 m²=+ 336,00 €
Die daraus abgeleitet die Differenz aller Unter- und Überdeckungen:
(./. 1.872,00 € + 1.260,00 € + 336,00 €)=./. 276,00 €
Der Auftragnehmer könnte dann den nicht ausgeglichenen bzw. unterdeckten Betrag als Vergütungsanspruch geltend machen.
Beachtenswert wird als Aspekt angesehen, dass eine im Hauptangebot nicht aufgeführte bzw. nicht vorgesehene, ggf. jedoch erforderliche oder vom Auftraggeber zusätzlich geforderte Leistungsposition zunächst immer eine Mehrleistung bedeutet, die einen möglichen Vergütungsanspruch aus einer Gemeinkostenunterdeckung bei Minderleistungen von im Hauptangebot vorgesehenen Leistungspositionen schmälert. Zu überlegen wäre, ob bei zusätzlichen Leistungen zum Vertrag, die keinen Vergleich mit angebotenen und vereinbarten Einheitspreisen ermöglichen, vom Auftragnehmer von vornherein ein Nachtragsangebot gestellt und geprüft und auf die Einbeziehung in die Ausgleichsberechnung verzichtet werden sollte.
Bauprofessor-Redaktion
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