Baurecht / BGB

Vergütungsanspruch bei Kündigung des Bauvertrags

Dem Bauunternehmen als Auftragnehmer steht bei Kündigung des Bauvertrags durch den Auftraggeber die vereinbarte Vergütung zu.

Rechtliche Grundlagen

Der Vergütungsanspruch bei einer Kündigung des Bauvertrags leitet sich ab:

Rechnungslegung zur Vergütung bei Vertragskündigung

Das Bauunternehmen sollte sein Verlangen nach Vergütung einschließlich der Rechnungslegung dem Bauherrn bzw. Auftraggeber schriftlich vorlegen. Der Vergütungsanspruch ist zu belegen und ggf. detailliert hinsichtlich der eingesparten Kosten bzw. anderweitigen Verwendungen nachzuweisen. Das unten angeführte Beispiel liefert eine Berechnung mit praktischen Aussagen.
Grundlage für den zu vergütenden Betrag bildet die Angebotskalkulation mit ihren Kalkulationsansätzen, die vom Auftragnehmer ggf. offenzulegen sind. Detaillierte Aussagen hierzu sind möglich, wenn zum Angebot ergänzende Formblätter Preise (EFB-Preis) 221 oder 222 und ggf. 223 nach Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund - Ausgabe 2017, Stand 2019) vorzulegen waren. Wurde mit dem Angebot bzw. zum Vertragsabschluss auch eine Urkalkulation durch den Auftragnehmer übergeben, kann diese herangezogen werden, gleichfalls auch zum Nachweis von ersparten Kosten.
Bei einem BGB-Bauvertrag steht dem Bauunternehmen als Auftragnehmer nach § 648 BGB auch noch ein Betrag in Höhe von 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der Bauleistung entfallenden Vergütung zu. Dieser Anteil ist in die Rechnungslegung einzubeziehen und auszuweisen.

Abrechnung ersparter Aufwendungen bei der Vergütung

Das Bauunternehmen muss sich jedoch anrechnen lassen, was es an Kosten erspart, was es anderweitig erwirbt und was es böswillig zu erwerben unterlässt. Der Verweis in diesem Zusammenhang auf § 649 BGB bedeutet, dass bezüglich der „Kosten“ alle Aufwendungen zu verstehen sind, die ursprünglich für die Leistungserbringung notwendig waren und bei Wegfall dieser Leistungen nun erspart werden.
Für die ersparten Aufwendungen sind nach dem Urteil des BGH vom 16. November 2016 (Az.: VII ZR 314/13) die „tatsächlichen“ Kosten, nicht die „kalkulierten“ Kosten maßgebend. Der Vergütungsanspruch ist zu belegen und ggf. detailliert hinsichtlich der eingesparten Kosten bzw. anderweitigen Verwendungen nachzuweisen.
Der Auftragnehmer kann auch darlegen und beweisen, dass die tatsächlichen Aufwendungen höher sind und weniger erspart wurde, praktisch die vorherige Kalkulation nicht mehr zutreffend ist und sich ein „verlorener Aufwand“ mangels möglicher Deckung von Anteilen der Gemeinkosten und von Gewinn ableitet.
Bei den Einzelkosten der Teilleistungen (EKT) müssen nicht grundsätzlich alle zugeordneten Kostenarten (wie Löhne, Stoffkosten, Gerätekosten, Sonstige Kosten und Nachunternehmerleistungen) eingespart und abgezogen werden. Für jeden Fall bliebe zu prüfen, inwieweit sie tatsächlich in vollem Umfang eingespart wurden. Waren Baustoffe bereits bestellt und angeliefert, ist nicht immer von vornherein eine anderweitige Verwendung möglich. Bei einer noch rechtzeitigen Abbestellung von Stoffen können andererseits aber auch Rabatte entfallen und somit verloren gehen. Analoge Prüfungen sind für die Baustellengemeinkosten (BGK) anzustellen.
In einem Urteil des BGH vom 18.04.2002 (Az.: VII ZR 164/01) wird dargelegt, dass bei der Ermittlung ersparter Kosten auf die tatsächliche Ersparnis beim Auftragnehmer abzustellen sei. Diese können von den kalkulierten Kosten abweichen. Aber beim Ansatz der tatsächlichen Ersparnisse wird mit der Abrechnung gewährleistet, dass der Auftragnehmer durch die Kündigung keine Vorteile und auch keine Nachteile erleide.
Weiterhin können evtl. auch noch potenzielle Nachträge geprüft und beim verlorenen Aufwand einbezogen werden, beispielsweise solche zusätzlichen Leistungen, die nach § 2 Abs. 8, Nr. 2 in VOB/B dem mutmaßlichen Willen des Auftraggebers entsprochen hätten.

Darlegungs- und Beweislast

Das Bauunternehmen als Auftragnehmer trägt zunächst die „Erstdarlegungslast“. Sollte der Auftraggeber anderer Auffassung sein, nämlich dass der Auftragnehmer beim Nachweis seines verlorenen Aufwands hätte mehr Aufwendungen einsparen können, dann kommt ihm die „Darlegungs- und Beweislast“ zu, so auch im Urteil des BHG vom 21. Dezember 2000 (Az.: VII ZR 467/99) bekräftigt. Das wäre auch dann der Fall, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer die mutwillige Unterlassung von Einsparungen vorwirft.

Beispielrechnung: Vergütung bei Kündigung des Bauvertrags

Vergütung an den Auftragnehmer bei Kündigung des Bauvertrags durch den Auftraggeber.
  • Ein Auftragnehmer erhält den Auftrag, ein Geschäftshaus schlüsselfertig zu erstellen.
  • Die Vergütung ist mit 1.000.000 € vereinbart.
  • Eine Woche nach Auftragserteilung kündigt der Auftraggeber den Vertrag.
Aus der Angebotskalkulation des Auftragnehmers geht hervor, dass er den Bauauftrag wie folgt kalkuliert hat:
72 % =720.000 € fürEinzelkosten der Teilleistungen(EKT)
7 % =70.000 € fürBaustellengemeinkosten(BGK)
15 % =150.000 € fürAllgemeine Geschäftskosten(AGK)
3 % =30.000 € fürGewinn(G)
1 % =10.000 € fürBetriebsbezogenes Wagnis
2 % =20.000 € fürLeistungsbezogenes Wagnis
Dem Auftragnehmer steht bei Kündigung durch den Auftraggeber zunächst die vereinbarte Vergütung von 1.000.000 € zu.
Er muss sich jedoch anrechnen und folglich abziehen lassen, was er an Kosten erspart, beispielsweise:
72 % =720.000 €Einzelkosten wie Lohn-, Stoff- und Gerätekosten
3 % =30.000 €Baustellengemeinkosten, wogegen für den Rest bereits die Baustelle eingerichtet wurde
2 % =20.000 €Leistungsbezogenes Wagnis, da die Leistung nicht erbracht wird und folglich auch dieses Wagnis entfällt (Abzug)
Der Auftragnehmer sparte nicht ein:
4 % =40.000 €Baustellengemeinkosten (Baustelleneinrichtung)
15 % =150.000 €Allgemeine Geschäftskosten (AGK)
3 % =30.000 €Gewinn (G)
1 % =10.000 €Betriebsbezogenes Wagnis (als allgemeines Unternehmensrisiko)
Gesamt =230.000 €

Verlorener Aufwand bei einer Kündigung

Der nachgewiesene Betrag stellt einen "verlorenen Aufwand" dar und ist zu vergüten, wobei darauf Skonto und ggf. ein vereinbarter Nachlass nicht zu berechnen sind. Der verlorene Aufwand entspricht meistens annähernd dem Deckungsbeitrag (DB), der über die Leistungserbringung die Gemeinkosten sowie den Gewinn decken soll, aber bei einer Kündigung gewissermaßen ausfällt. In diesem Sinne handelt es sich hierbei nicht um einen Schadenersatzanspruch.
Im Beispiel wurde das leistungsbezogene Wagnis (wie kalkulierte Einzelwagnisse) als Anteil unter W&G nicht in die Vergütung einbezogen, weil es dem Grunde nach entfallen müsste, wenn die betreffende Leistung nicht ausgeführt wurde.
Im eigentlich ähnlich zu betrachtenden Sachverhalt einer freien Auftraggeberkündigung des Bauvertrags hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 24. März 2016 (Az.: VII ZR 2011/15, in IBR 2016, 1046) die Entscheidung getroffen, dass der vom Auftragnehmer im Rahmen eines Einheitspreisvertrages auf der Grundlage des EFB-Formblatts 221 nach VHB-Bund 2019 kalkulierte Zuschlag für betriebsbezogenes Wagnis "nicht als ersparte Aufwendung" von der Vergütung nach § 649 BGB bzw. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B in Abzug zu bringen ist, da damit das "allgemeine unternehmerische Risiko abgesichert werden soll".
Bauprofessor-Redaktion
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