Vertragsstrafenklauseln müssen klar und verhältnismäßig formuliert sein. Das neue BGH-Urteil erfordert eine Überprüfung und ggf. Anpassung bestehender Verträge. Worauf konkret zu achten ist, erläutert die Anwältin für Bau- und Architektenrecht Melanie Bentz.
Zulässige Höchstgrenzen
Bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe müssen – insbesondere, wenn dies im Rahmen eines Formularvertrags geschieht – diverse Aspekte berücksichtigt werden. Dies betrifft u. a. die Festlegung einer Obergrenze sowohl im Hinblick auf die pro Tag verwirkte Vertragsstrafe als auch auf deren Gesamthöhe. Sofern auch Zwischenfristen vertragsstrafenbewehrt sein sollen, gelten noch höhere Anforderungen.
Zur besseren Übersicht wird nachfolgend nur die Vertragsstrafe für die Fertigstellungsfrist betrachtet – die folgenden Grundsätze gelten jedoch auch bei Vertragsstrafen für Zwischenfristen.
Sofern eine Vertragsstrafe als Allgemeine Geschäftsbedingung vereinbart wird, gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) seit dem Urteil vom 23.01.2003 (VII ZR 210 / 01 – BauR 2003, 870) eine Obergrenze für die Vertragsstrafe von 5 % der Auftragssumme. Eine Vertragsstrafe von 0,1 % oder 0,2 % pro Kalender- oder Werktag wird ebenfalls als wirksam angesehen. Unwirksam ist ein Tagessatz für die Vertragsstrafe von 0,5 %. Bei einem Tagessatz von 0,3 % divergieren die Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte zu dessen (Un-)Wirksamkeit, so dass sicherheitshalber ein niedrigerer Tagessatz vereinbart werden sollte.
Als Allgemeine Geschäftsbedingung wird ein Vertrag oder auch nur eine einzelne Vertragsklausel angesehen, die mindestens für den dreifachen Einsatz vorgesehen ist. Dies ist bei Klauseln zu Vertragsstrafen häufig der Fall.
Aufgrund der ständigen Rechtsprechung seit dem Jahr 2003 schienen viele Fragen rund um die Vertragsstrafe geklärt.
Dies galt bis zum Urteil des BGH vom 15.02.2024 (VII ZR 42 / 24 – BauR 2024, 1039), in dem sich der BGH mit dem Begriff der „Auftragssumme“ näher auseinandersetzt. In der umstrittenen Klausel, die vom (öffentlichen) Auftraggeber verwendet wurde, war bei einem Einheitspreisvertrag festgelegt, dass bei Überschreitung der Fertigstellungsfrist pro Werktag eine Vertragsstrafe zu zahlen ist von:
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0,2 % der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) und
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insgesamt jedoch höchstens 5 % dieser Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer).

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Klarstellung zur „Auftragssumme“
Üblicherweise lässt die Formulierung „Auftragssumme“ bereits Interpretationsspielraum zu, weil hiermit sowohl die Angebots- als auch die Schlussrechnungssumme gemeint sein kann.
Mit der Formulierung „im Auftragsschreiben genannte Auftragssumme“ wird jedoch eindeutig die Netto-Angebotssumme zum Bezugspunkt der Berechnung einer möglichen Vertragsstrafe gemacht.
Diese Vertragsstrafenregelung erklärte der BGH nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB für unwirksam, weil sie den Auftragnehmer bei einem Einheitspreisvertrag unangemessen benachteiligt. Dies gilt sowohl für Werk- bzw. Bauverträge unter Geltung des BGB als auch der VOB Teil B.
Der Grund liegt in dem Zweck der „Deckelung“ der Vertragsstrafe auf maximal 5 %. Denn einerseits soll die Vertragsstrafe auf den Auftragnehmer Druck ausüben, seine Leistung ordnungsgemäß binnen des vereinbarten Zeitraums zu erbringen. Andererseits muss die Vertragsstrafe gleichzeitig in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehen, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Die Vertragsstrafe muss sich in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halten. Der BGH ist der Auffassung, dass ein Auftragnehmer durch eine Vertragsstrafe von mehr als 5 % unangemessen belastet wird.
Tatsächliche Abrechnungssumme ist maßgeblich
Der Bezugspunkt der Vertragsstrafe ist deshalb die Abrechnungssumme in ihrer objektiv richtigen Höhe. Denn bei dieser handelt es sich um die vom Auftragnehmer tatsächlich verdiente Vergütung.
Kommt es bei einem Einheitspreisvertrag zur Ausführung geringerer Massen als im Angebot / Leistungsverzeichnis vorgesehen, führt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe von „5 % der Netto-Angebotssumme“ dazu, dass dem Auftragnehmer mehr als 5 % des verdienten Werklohns – der aufgrund der niedrigeren Massen geringer ausfällt als die ursprüngliche Angebotssumme – über die Vertragsstrafe entzogen werden.
Diese hypothetische Möglichkeit eines „Abzugs“ von mehr als 5 % des Werklohns gemessen an der Schlussrechnungssumme ist im Rahmen der objektiv-abstrakten Prüfung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung ausreichend, um diese unwirksam zu machen.
„Deshalb sollten alle bestehenden Vertragsdokumente hinsichtlich der Formulierung der Vertragsstrafe überprüft und – sofern erforderlich – dahingehend abgeändert werden, dass sich die Obergrenzen der Vertragsstrafe auf die Schlussrechnungssumme beziehen.“ Praktische Tipps zur Rechtssicherheit
Aus Gründen der Klarstellung ist weiter ein Zusatz zu empfehlen, ob die Brutto- oder die Netto-Schlussrechnungssumme zur Berechnungsgrundlage der Vertragsstrafe gemacht wird, um nachträglichen Streit über diesen Aspekt zu vermeiden.
Offen ist, ob diese neue Rechtsprechung auch für Pauschalpreisverträge gilt, da beim Pauschalpreisvertrag die Angebots- und die Schlussrechnungssumme identisch sind.
Vorsorglich sollte aber auch in diesem Fall als Bemessungsgrundlage für die Vertragsstrafe die Schlussrechnungssumme (brutto oder netto) angegeben werden.
Insofern ist an Fälle zu denken, bei denen entweder durch die Vertragsparteien einvernehmlich oder durch Teilkündigung des Auftraggebers einzelne Leistungen nachträglich aus dem Pauschalpreisvertrag herausgenommen werden. In solchen Fällen könnte auch bei einem Pauschalpreisvertrag die Schlussrechnungssumme niedriger ausfallen als das Angebot.