Regelungen zu Bauaufträgen im Bereich Bundesfernstraßen
Preissteigerungen und Lieferengpässe für Baumaterialien in letzter Zeit und gegenwärtig erfordern Instrumente zum beiderseitigen Nutzen der Bauvertragspartner, speziell auch mit Anwendung einer Stoffpreisgleitklausel.
Regelungen zur Stoffpreisgleitklausel für öffentliche Bauaufträge im Bundesstraßenbau, Bundesschienenwegebau und Bundeswasserstraßenbau liegen vor, mit folgenden Schreiben als Erlasse des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) zu: „Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs – zeitlich befristete Sonderregelungen“ vom 25. März 2022 und
gleichem Betreff vom 22. Juni 2022 als Verlängerung der Sonderreglungen im Bereich der Bundesfernstraßen bis 31. Dezember 2022, mit inhaltlichen Änderungen, Erweiterungen und weiteren Klarstellungen zur Anwendung der Stoffpreisgleitklausel sowie mit Verfahrensaussagen bei bereits bestehenden Bauverträgen, laufenden und neuen Vergabeverfahren.
Das Schreiben des BMDV vom 23. Juni 2021 zu Materialengpässen und im Zusammenhang mit der Coronapandemie wurde zum 22. Juni 2022 aufgehoben, da es mit den neueren Erlassen keine eigenständige Bedeutung mehr hat.
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Detaillierte Aussagen zur Verfahrensweise einer Stoffpreisgleitklausel werden im "Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau" (HVA B-StB, Ausgabe August 2019) getroffen, und zwar speziell: im Teil 1 unter Tz. 1.3 – Besondere Vertragsbedingungen (Nr. 19 bis 22) mit den Vordrucken 141 und 145, Anwendungsvoraussetzungen, möglichen Stoffarten als Produktgruppen sowie einer Beispielrechnung für Stoffpreisgleitklauseln,
im Teil 1 unter Tz. 1.4 – Leistungsbeschreibung (Nr. 43) und
im Teil 3 unter Tz. 3.2 – Abrechnung (Nr. 43) und mit einem Beispiel zur Abrechnung von Mehr- und Minderaufwendungen (Nr. 44) sowie
in den neuen Vordrucken 141a und 145a (seit 22. Juni 2022) für eine Berechnung zur Stoffpreisgleitung ohne Basiswert 1, wenn dieser nicht ermittelbar ist.
Einbeziehung von Stoffarten in die Stoffpreisgleitklausel
Im HVA wird vorbestimmt, dass eine Stoffpreisgleitklausel ohne Zustimmung des zuständigen Vergabereferates des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für die folgenden Stoffarten vereinbart werden kann:
- Baustahl: GP-Nr. 24 10 02 220,
- Betonstahl: GP-Nr. 24 10 02 410,
- Fahrzeugrückhaltesystem (Stahl-Schutzplankenkonstruktion): GP-Nr. 24 11 23 695,
- Asphaltmischgut: GP-Nr. 23 99 13 200.
Im o. a. Erlass vom 25. März 2022 wurden für laufende und kommende öffentliche Baumaßnahmen die Produktgruppen – analog zu Hochbaumaßnahmen – erweitert, mit Bezug auf:
- Stahl und Stahllegierungen
- Aluminium
- Kupfer
- Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut)
- Epoxidharze
- Zementprodukte
- Holz
- Gusseiserne Rohre
Für die angeführten Produktgruppen wird der Zustimmungsvorbehalt nach Nr. 19 im Teil 1.3 im HVA befristet für die Geltungsdauer des o. a. Schreibens ausgesetzt. Dem zuständigen Fachreferat ist jedoch vor Anwendung der Stoffpreisgleitklausel über die einzubeziehenden Materialien mit den GP-Nummern zu berichten.
Im Formblatt 225 im VHB-Bund wird als Voraussetzung ein Mindestzeitraum von einem Monat bestimmt, der zwischen Angebotsabgabe und dem vereinbarten Abrechnungszeitpunkt (Einbau, Lieferung oder Verwendung) liegen muss. Sofern für weitere als die aufgeführten Stoffarten die Voraussetzungen nach Nr. 20 im Teil 1 unter Tz. 1.3 des HVA B-StB gegeben sind, können sie nach Tz. II.1 im Erlass vom 22. Juni 2022 auch für die Stoffpreisgleitklausel vorgesehen werden.
Werden zur Baumaßnahme in den Textbausteinen der Beschreibung im Leistungsverzeichnis (LV) nach Standardleistungsbuch (STLB-Bau) in einer Position mehrere der angeführten Stoffe zusammengefasst bzw. Verbundbaustoffe verarbeitet, so kann dann auf den Stoff mit dem höchsten Stoffanteil innerhalb der Ordnungsziffer bzw. der Verbundbaustoffe abgestellt werden. Das gilt, wenn der Aufwand zur Ermittlung der einzelnen Stoffanteile unverhältnismäßig ist, beispielsweise die Dauer der Vergabevorbereitung erheblich verzögert würde. GP-Nummern als Voraussetzung für einzubeziehende Produktgruppen
Als allgemeine Voraussetzung für die Anwendung einer Stoffpreisgleitklausel gilt, dass die vorgesehenen Stoffarten auch vom Statistischen Bundesamt als gewerbliche Produkte mit GP-Nummern im Erzeugerpreisindex (Fachserie 17, Reihe 2) mit Indizes zur Entwicklung der Baumaterialpreise aufbereitet und veröffentlicht werden. Ergänzend zur langen Reihe 2 ist auch der Zugriff auf die „Genesis-Online-Datenbank“ möglich. Liegen beispielsweise Sprünge von mehreren Indexpunkten pro Monat zum Index einer Stoffart vor, kann ein hohes Wagnis für die Angebotskalkulation des Bieters angenommen werden und die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel naheliegen. Zu verwenden sind für die Stoffpreisgleitklausel im Straßen- und Brückenbau nach der HVA B-StB (2019) der:
- Vordruck 141 – Stoffpreisgleitklausel – und
- Vordruck 145 – Verzeichnis Stoffpreisgleitklausel –.
Eine beispielhafte Berechnung wird in Nr. 20 im Teil 1 unter 1.3 im HVA B-StB dargestellt. Der Vordruck ist den Vertragsbedingungen beizufügen, weiterhin auch noch ein Hinweisblatt zur Wirkungsweise der Stoffpreisgleitklausel.
Sollte ein Basiswert 1 für die Abrechnung der Stoffpreisgleitung nicht ermittelbar sein, ist eine alternative Möglichkeit zur Berechnung der Stoffpreisgleitklausel mit Hilfe der neuen Vordrucke 141a und 145a mit Ausrichtung auf den tatsächlichen Angebotspreis des Unternehmens, das den Zuschlag für die Baumaßnahme erhält, vorzusehen. Mit den neuen Vordrucken wird die Anwendung für die Bauverwaltungen einfacher. Andererseits kann auch das Bauunternehmen die Wirkung auf seine Kalkulation besser abschätzen.
Zur „Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1“ wurde eine einheitliche Fassung von den Bauverwaltungen des Bundes und der Länder für Bauverträge im Straßen- und Brückenbau aufgestellt.
Einbeziehung von Betriebsstoffen
Neben Einbaustoffen als Baumaterialien ist auch ausnahmsweise die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe möglich, so Tz. 1 im o. a. Erlass vom 25. März 2022 zu den Folgen des Ukraine-Kriegs bei maschinenintensiven Baugewerken. Als Voraussetzung gilt, dass die Aufstellung in den Vergabeunterlagen sich für die indexbasierte Preisgleitung mit eigenen Ordnungsziffern der Stoffe eignen muss.
Die Stoffpreisgleitung kann nach Tz. 4.4 im Erlass vom 22. Juni 2022 auch nachträglich vereinbart werden. Dafür ist eine Ordnungsziffer festzulegen und die Menge des seit Kriegsbeginn noch erforderlichen Betriebsstoffes zu ermitteln. Über die im Nachtrag festgelegte Ordnungsziffer wird die tatsächlich verbrauchte Menge erfasst, diese der Gleitung unterzogen sowie der Zu- oder Abschlag für den Betriebsstoff ermittelt und abgerechnet.
Weitere Anforderungen zur Anwendung der Stoffpreisgleitklausel
Aus den o. a. Erlassen leiten sich noch weitere allgemeine und speziell zum Ukraine-Krieg bestimmte Anforderungen zur Anwendung und Abrechnung bei einer Stoffpreisgleitklausel im Bundesstraßenbau (wie auch analog bei Hochbaumaßnahmen) ab:
Die sogenannte Aufgreifschwelle als Anteil der Stoffkosten des die Preisgleitklausel betreffenden Stoffes wurde nach Tz. II.2 im Erlass vom 22. Juni 2022 wertmäßig von alt 1 % auf 0,5 % der von der Vergabestelle geschätzten Auftragssumme gesenkt, geltend für die o. a. Stoffarten nach Erlass vom 25. März 2022 und geltend auch bereits für laufende Vergabeverfahren. Der Anteil ist aus den Kostenanteilen der zu gleitenden Stoffmengen der betroffenen Positionen im LV in der Leistungsbeschreibung zu ermitteln, und zwar unter Beachtung von marktüblichen Preisen vom Auftraggeber. Eine vereinbarte Stoffpreisgleitklausel soll möglichst zum Verwaltungsaufwand auf beiden Vertragsseiten verhältnismäßig zu den erstrebten Vorteilen gehalten werden. Sie soll nach Tz. II.3 im Erlass vom 22. Juni 2022 künftig erst vereinbart werden, wenn die geschätzten Kosten für den jeweils für die Preisgleitung vorgesehenen Stoff einen Betrag von 5.000 € als Bagatellgrenze überschreiten.
Der Auftragnehmer hat sich an den Mehr- und Minderaufwendungen zu beteiligen und muss eine Selbstbeteiligung bei Preisgleitklauseln tragen. Dieser Selbstbehalt beträgt allgemein 10 % der Mehr- oder Minderaufwendungen. Bei einer nachträglichen Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel in einem bestehenden Vertrag ist nach Tz. IV.4.2 im Erlass vom 22. Juni 2022 von den Auftraggebern mit den bauausführenden Unternehmen eine Selbstbeteiligung in Höhe von neu 10 % (vorher 20 %) zu vereinbaren. Eine Stoffpreisgleitklausel kann nach Tz. IV.4.6 im Erlass vom 22. Juni 2022 auch bei einer Rahmenvereinbarung-Bauunterhalt für noch bestehende Einzelaufträge herangezogen werden, wenn höhere Einkaufspreise als kalkuliert vorliegen und die Geschäftsgrundlage nach § 316 BGB gestört ist. Grundlage liefert hierzu ebenfalls das Formblatt 225 im VHB-Bund. Eine analoge Anwendung kann auch für Liefer-Rahmenvereinbarungen für die im Erlass vom 22. März 2022 angeführten Stoffarten vorgesehen werden.
Klarstellungen bei bestehenden Verträgen
Als bestehende Verträge gelten nach Tz. IV im Erlass vom 22. Juni 2022 alle Verträge, die bis zu 14 Kalendertage nach Ukraine-Kriegsausbruch, d. h. vor dem 11. März 2022 ohne Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel submittiert wurden.
Mit dem Erlass vom 22. Juni 2022 erfolgten weitere Klarstellungen:
Eine nachträgliche Einbeziehung der Stoffpreisgleitklausel kann infrage kommen, jedoch nur aus Preissteigerungen, die nach Kriegsausbruch eingetreten sind, geltend auch für Betriebsstoffe in maschinenintensiven Gewerken. Danach vereinbarte Preisgleitungen gelten dann bis zum Vertragsende weiter, selbst dann, wenn die betreffenden Erlasse währenddessen nicht mehr bestimmend wären. Wurde der betreffende Erlass jedoch außer Kraft gesetzt, kann in bereits geschlossene Verträge nicht mehr nachträglich eine Stoffpreisgleitung vereinbart werden.
An den Nachweis der Verfügbarkeit von Baumaterialien sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. Der Nachweis kann z. B. durch Absageschreiben von 3 Baustofflieferanten geführt werden.
Für ggf. erforderliche Preisanpassungen infolge vorliegender Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB (z. B. bei extrem höheren Einkaufspreisen gegenüber im Angebot kalkulierten Preisen für Baumaterialien) sind im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden, wofür es keine vorbestimmte pauschale Größe geben kann. Verwiesen sei hierzu auch auf Ausführungen unter Lieferengpässe diverser Baustoffe. Mit einer nachträglichen Stoffpreisgleitung sollte eine Unzumutbarkeit nach § 313 BGB beseitigt sein. Wird eine Preisanpassung ohne Stoffpreisgleitklausel mit Teilung einer Kostensteigerung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nach Tz. IV.2 im Erlass vom 25. März 2022 vorgesehen, ist dann kein zusätzlicher Selbstbehalt durch den Auftragnehmer zu berücksichtigen.
Vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) liegt auch eine dem Erlass angepasste „Orientierung für Bauunternehmer zu Stoffpreisgleitung und Vertragsanpassung (Stand 27. Juni 2022)“ vor.
Spezielle Anforderungen nach HVA B-StB
Als spezielle Anforderungen für den Straßenbau sind nach Teil 3, Tz. 3.2 (Nr. 43 und 44) sowie der neuen einheitlichen Fassung (Ausgabe Juni 2022) für eine „Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1“ im HVA B-StB die folgenden hervorzuheben:
Vom Bauunternehmen sind dem Auftraggeber über die Verwendung der betreffenden Stoffe prüfbare Aufzeichnungen (z. B. Lieferscheine, Aufmaße) vorzulegen, wenn Mehr- oder Minderaufwendungen abzurechnen sind. Aus ihnen müssen die Mengen der Stoffe und die Zeitpunkte des Einbaus, der Lieferung bzw. der Verwendung hervorgehen. Für die Ermittlung der Mehr- und Mindermengen sind nur jene Baustoffmengen zugrunde zu legen, für die nach dem Vertrag eine Vergütung zu gewähren ist.
Bei vereinbarter Pauschalierung oder Limitierung der Vergütung sind der Ermittlung die vereinbarten oder limitierten Baustoffmengen zugrunde zu legen.
Mehr- und Minderaufwendungen werden erst vergütet, wenn Bagatellgrenzen bei Preisgleitklauseln überschritten werden. Vermeidbare Mehraufwendungen werden nicht erstattet. Das könnte der Fall sein, wenn das Bauunternehmen schuldhaft Vertragsfristen überschritten hat und dadurch die Differenz aus Mehr- und Minderaufwendungen zu Ungunsten des Auftraggebers verschoben wurde. Die Selbstbeteiligung bei Preisgleitklauseln beträgt 10 % der Mehraufwendungen, mindestens aber in Höhe des Bagatellbetrags. Liegen Stoffpreissenkungen vor, hat der Auftragnehmer die ersparten Aufwendungen von seinem Vergütungsanspruch abzusetzen, kann aber mindestens den Betrag der Bagatelle einbehalten. Bei einer Weitervergabe von Bauleistungen an von der Stoffpreisgleitklausel betroffene Nachunternehmer sind geltend gemachte Mehraufwendungen gegenüber dem Auftraggeber nur dann zu berücksichtigen, wenn sie auch tatsächlich entstanden sind, wofür vom Nachunternehmer ggf. Rechnungen mit Zahlungsbelegen zu verlangen sind.
Für die Abrechnung von Mehr- und Mindermengen liefert auch der von den Bauverbänden (DDB und ZDB) herausgegebene "Leitfaden – Berechnung von Mehr- und Minderaufwendungen bei der Anwendung von Stoffpreisgleitklauseln in Bauverträgen (2015)" ausführliche Grundlagen sowie ein Berechnungsbeispiel unter Tz. 7 für die Anwendung der Stoffpreisgleitklausel.