Ein Kalkulationsirrtum resultiert in der Regel aus einem Irrtum in den Grundlagen der Preisermittlung, z. B. infolge:
- falscher bzw. fehlerhafter Ansätze beim Arbeitszeitaufwand, den Baustoffpreisen, dem Maschineneinsatz, bei der Ermittlung der Einzelkosten,
- fehlerhafter Einbeziehung von Alternativ- und Eventualpositionen in die Angebotssumme,
- von Rechenfehlern der Kalkulation.
Diese Fehler werden nicht Bestandteil der Erklärungen zum Angebot und des Bauvertrags. Ein rechtserheblicher Erklärungs- und Inhaltsirrtum nach § 119 BGB liegt nicht vor. Diese Fehler betreffen den Risikobereich des Bieters bzw. Auftragnehmers, jedoch nur für den Leistungsumfang des abgegebenen Angebots bzw. des dazu erteilten Auftrags.
Fallen im Laufe der Bauausführung jedoch erhebliche Mehrmengen sowie umfangreich zusätzliche Leistungen an, kann sich der Kalkulationsirrtum im Angebot auf die neuen Preise auswirken. Ist die Wirkung so groß, dass für den Auftragnehmer und Auftraggeber ein Festhalten an der ursprünglichen Grundlage für die Preisermittlung nicht zumutbar ist, kann und sollte in diesen besonders begründeten Einzelfällen aus Billigkeitsgründen ein angemessener Preisansatz auf Grund entsprechend zutreffender Kalkulation - allerdings nur für die Mehrleistungen - vereinbart werden. Diese Aussage trifft der "Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen - aktualisierte Fassung: April 2016" unter Tz. 5 im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund Ausgabe 2017). Vom Kalkulationsirrtum ist ein Niedrigstangebot (meistens aggressiv kalkuliert, um auf einem Markt Fuß zu fassen) zu unterscheiden. Letzteres kann durchaus wettbewerblich begründet und zulässig sein. Beruht es jedoch auf einem Kalkulationsirrtum, müsste es als ein auszuschließendes Unterangebot behandelt werden.
Andererseits sollte sich ein Bieter auch von seinem Angebot lösen können, wenn der Kalkulationsirrtum dem Auftraggeber positiv bekannt und derart gewichtig ist, dass ein Festhalten am Angebot nach Treu und Glauben unzumutbar wäre. In einem solchen Fall sollte der Bieter dem Auftraggeber unaufgefordert sämtliche Kalkulationsunterlagen bereitstellen, aus denen der Kalkulationsirrtum erkennbar ist. Diesbezüglich entschied der BGH mit Urteil vom 11.11.2014 (Az.: X ZR 32/14) zu einem Fall, dass die Erteilung eines Zuschlags auf ein von einem Kalkulationsirrtum beeinflusstes Angebot ein Verstoß gegen die Pflichten zur Rücknahme auf die Interessen des betreffenden Bieters darstellen kann. Inwieweit und ab welcher Grenze ein solcher Pflichtverstoß vorliegen wird, bliebe im Einzelfall zu prüfen. Sie dürfte jedoch dann überschritten sein, wenn nach Ansicht des BGH "dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechthin nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringenden Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen".
Werden mit der Nachtragsvereinbarung auf Grundlage eines Nachtragsangebots neue Einheitspreise vereinbart, wird ein Irrtum in den Grundlagen der Preiskalkulation im Hauptauftrag grundsätzlich bei öffentlichen Aufträgen als unerheblich betrachtet, weil es sich um einen Irrtum im Risikobereich des Auftragnehmers handelt. Resultieren daraus jedoch beispielsweise erhebliche Mehrmengen oder zusätzliche Leistungen, die sich auf den neuen Einheitspreis in einem Maße auswirken, dass ein Festhalten an den ursprünglichen Kalkulationsgrundlagen nicht zumutbar ist, kann in besonders begründeten Fällen durchaus ein angemessener, nachweisbarer Preisansatz für die Mehrleistung vereinbart werden.