Baukalkulation / Angebot / Nachträge

Kalkulationsirrtum

Ein Kalkulationsirrtum ist die Angabe eines Bieters zu einem Angebot, dass der angegebene Preis nicht korrekt ist. Wo Ursachen liegen und welche Folgen sich daraus ergeben, lesen Sie hier.

Was ist ein Kalkulationsirrtum?

Als Kalkulationsirrtum wird die Aussage eines Bieters zu einem Angebot verstanden, dass der angegebene Preis falsch ist. Wäre dies nicht der Fall, hätte sich der Bieter dazu nicht geäußert.
Zu unterscheiden ist zwischen:
  • einem verdeckten bzw. internen Kalkulationsirrtum mit Aussagen lediglich zur Höhe des irrtümlichen Preises und
  • einem offenen bzw. externen Kalkulationsirrtum mit Aussagen auch zu den herangezogenen Kalkulationsgrundlagen und -ansätzen.
Ein Kalkulationsirrtum kann sich beziehen auf:
Beruft sich ein Bieter bei seinem Angebot auf einen Kalkulationsirrtum, muss bei öffentlichen Aufträgen entschieden werden, ob eine Anfechtung wegen Irrtums wirksam ist.
Beruft sich ein Bieter bei seinem Angebot auf einen Kalkulationsirrtum, muss bei öffentlichen Aufträgen entschieden werden, ob eine Anfechtung wegen Irrtums wirksam ist. Bild: © f:data GmbH

Was sind Ursachen für einen Kalkulationsirrtum?

Ein Kalkulationsirrtum zu einem Angebot für einen Bauauftrag resultiert in der Regel aus einem Irrtum in den Grundlagen der Preisermittlung, z. B. infolge:
  • falscher bzw. fehlerhafter Ansätze beim Arbeitszeitaufwand, den Baustoffpreisen, dem Maschineneinsatz, bei der Ermittlung der Einzelkosten,
  • fehlerhafter Einbeziehung von Alternativ- und Eventualpositionen in den Angebotssummen oder
  • von Rechen-, Schreib-, Übertragungs- und Datenfehlern der Kalkulation.

Kalkulationsirrtümer bei öffentlichen Bauaufträgen

Beruft sich ein Bieter bei seinem abgegebenen Angebot auf einen Irrtum zu seiner Kalkulation, ist bei öffentlichen Bauaufträgen zunächst von Bedeutung, ob die Fachaufsicht führende Ebene entscheidet, dass eine Anfechtung wegen Irrtums wirksam ist. Dem betreffenden Bieter ist dies mitzuteilen. Eine Änderung des angeblich irrig angegebenen Preises ist nicht zulässig. Im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017, Stand 2019) wird hierzu in der Richtlinie 321 – Prüfungs- und Wertungsübersicht – unter Tz. 7 angeführt, dass das Angebot des Bieters dann hinfällig ist.
Irrtümlich können falsche Preisangaben auch aus Schreib-, Übertragungs- und Datenfehlern resultieren, z. B. ein verrutschtes Komma bei der Angabe eines Einheitspreises. Die Vergabekammer Bund hat mit Beschluss vom 18. Februar 2016 (VK 1-2/16 – IBR 2016, 476) entschieden, dass eine eindeutige (z. B. Rechen- und Datenfehler), aber wegen eines Fehlers des Bieters falsche Preisangabe nach der Submission nicht mehr korrigiert werden kann.
Diese verdeckten Fehler werden nicht Bestandteil der Erklärungen zum Angebot und des Bauvertrags. Ein rechtserheblicher Erklärungs- und Inhaltsirrtum nach § 119 BGB liegt nicht vor. Diese Fehler betreffen den Risikobereich des Bieters bzw. Auftragnehmers, jedoch nur für den Leistungsumfang des abgegebenen Angebots bzw. des dazu erteilten Auftrags. Vom Bieter ist sorgfältig zu kalkulieren. Das Nachrechnen und die Plausibilitätsprüfungen der Preise liegen in seiner Verantwortung.

Mögliche Preisanpassung bei einem Irrtum

Andererseits sollte sich ein Bieter ggf. von seinem Angebot lösen können, wenn der Kalkulationsirrtum dem Auftraggeber bekannt und derart gewichtig ist, dass ein Festhalten am Angebot nach Treu und Glauben unzumutbar wäre. In einem solchen Fall sollte der Bieter dem Auftraggeber unaufgefordert sämtliche Kalkulationsunterlagen bereitstellen, aus denen der Kalkulationsirrtum erkennbar ist.
Diesbezüglich entschied der BGH mit Urteil vom 11.11.2014 (Az.: X ZR 32/14) zu einem Fall, dass die Erteilung eines Zuschlags auf ein von einem Kalkulationsirrtum beeinflusstes Angebot ein Verstoß gegen die Pflichten zur Rücknahme auf die Interessen des betreffenden Bieters darstellen kann. Inwieweit und ab welcher Grenze ein solcher Pflichtverstoß vorliegen wird, bliebe im Einzelfall zu prüfen. Sie dürfte jedoch dann überschritten sein, wenn nach Ansicht des BGH
Zitat: BGH mit Urteil vom 11.11.2014 (Az.: X ZR 32/14)
"Dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechthin nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringenden Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen.“

BGH mit Urteil vom 11.11.2014 (Az.: X ZR 32/14)
Als offenzulegende Kalkulationsgrundlagen wären Aussagen anzusehen aus:
  • den ergänzenden Formblättern Preise (EFB-Preis) 221 oder 222 und 223 (Untergliederung der Einheitspreise) nach VHB-Bund und
  • einer Urkalkulation.
Ließen sich mit den offengelegten Kalkulationsgrundlagen und dem nachweislichen Kalkulationsirrtum die preislichen Auswirkungen nicht auflösen, bliebe dann auch ein Kalkulationsirrtum unwirksam.

Wie wirken sich Kalkulationsirrtümer auf Nachträge aus?

Treten im Laufe der Bauausführung Leistungsänderungen infolge von Mengenänderungen in einzelnen Teilleistungen, weiterhin aus Änderungen des Bauentwurfs, Anordnungen des Auftraggebers und ggf. bisher nicht vorgesehenen Leistungen auf, so wird ein Irrtum in den Grundlagen der Preiskalkulation im Hauptauftrag grundsätzlich bei öffentlichen Aufträgen als unerheblich betrachtet. Es handelt sich um einen Irrtum im Risikobereich des Auftragnehmers.
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Ergeben sich jedoch erhebliche Mehrmengen sowie umfangreich zusätzliche Leistungen und leiten sich daraus Nachträge ab, kann sich der Kalkulationsirrtum im Angebot auf die neuen Preise der Nachtragsforderungen auswirken. Ist die Wirkung so groß, dass für den Auftragnehmer und Auftraggeber ein Festhalten an der ursprünglichen Grundlage für die Preisermittlung nicht zumutbar ist, kann und sollte in diesen besonders begründeten Einzelfällen aus Billigkeitsgründen ein angemessener, nachweisbarer Preisansatz aufgrund entsprechend zutreffender Kalkulation – allerdings nur für die Mehrleistungen – vereinbart werden.
Diese Aussage trifft für öffentliche Bauaufträge der „Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen – aktualisierte Fassung 2017“ unter Tz. 5 im VHB-Bund. Denn der Kalkulationsirrtum bezieht sich nur auf den Leistungsumfang nach Leistungsverzeichnis (LV) des abgegebenen Angebots und dem dann darauf erteilten Bauauftrag.

Der Unterschied zwischen Kalkulationsirrtum und Niedrigstpreisangebot

Vom Kalkulationsirrtum ist ein Niedrigstpreisangebot (meistens aggressiv kalkuliert, um auf einem Markt Fuß zu fassen) zu unterscheiden. Letzteres kann durchaus wettbewerblich begründet und zulässig sein. Sind jedoch Einheitspreise bzw. eine Angebotssumme als irrig zu erkennen, wird in der Regel ein Kalkulationsirrtum zugrunde liegen. Dann müsste das Angebot als ein auszuschließendes Unterangebot behandelt werden.
Inwieweit ein Angebot als preislich unangemessen gilt, ist vom Planer mit zu prüfen und zu werten. Diese Aufgabe zählt mit zu den Grundleistungen nach HOAI, aufgeführt beispielsweise im Leistungsbild „Gebäude und Innenräume“ in der Anlage 10 zur Leistungsphase 6 – Mitwirkung bei der Vergabe – nach der HOAI.
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