Baukalkulation / Angebot / Nachträge

Spekulationsangebot

Mit einem Spekulationsangebot erwartet der Bieter, einen Bauauftrag nicht nur zu erlangen, sondern mit größerem Vorteil ausführen zu können. Mittels Spekulationspreisen soll dafür sein Angebot besonders "günstig" aussehen. Einzelne Einheitspreise (EP) von Leistungspositionen im Leistungsverzeichnis (LV) werden "unter dem Wert" und wieder andere "über dem Wert" angeboten. Die Spekulation wäre dann erfolgreich, wenn der Bieter nach Erhalt des Bauauftrags die Einheitspreise "unter Wert" durch mehr als solche "über Wert" ausgleichen kann.
VOB und BGB regeln, wann ein Angebot spekulativ ist.
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Ein Angebot ist als spekulativ anzusehen und nach dem Urteil des BGH vom 19. Juni 2018 (Az.: X ZR 100/16) nicht zuschlagsfähig, wenn „es so spekulativ ausgestaltet ist, dass dem Auftraggeber bei Eintritt bestimmter, zumindest nicht gänzlich fernliegender Umstände erhebliche Übervorteilungen drohen“. Danach würde der Bieter seine Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB verletzen. Der Bieter verhält sich mit einem Spekulationsangebot „vergaberechtswidrig“, wenn die Ansprüche nach Treu und Glauben überschritten werden.
Spekulationsangebote erfordern zunächst die Sichtung der Ausschreibungsunterlagen, ob und in welchem Maße Schwachstellen vorliegen und sich diese für die Preisbildung des Bieters positiv ausnutzen lassen. Spekulationen können auftreten mit Bezug auf:
  • fehlerhafte Mengenangaben im LV,
  • die Vermutung, dass dem Angebot bei der Ausführung in umfangreichem Maße Nachforderungen als Nachträge folgen werden,
  • Alternativ- und Bedarfspositionen als Problem der Deckung der Gemeinkosten, wenn diese Positionen später nicht zur Ausführung kommen.
Die Grenze zwischen vorliegender Spekulation und noch zu akzeptierendem Kalkulationsermessen ist als fließend anzusehen. Nicht in jedem praktischen Fall wäre es aber von vornherein unredlich, vom Bieter aus den Mengenansätzen im LV für sich Spielräume bei der Angebotskalkulation für überhöhte und korrespondierend niedrige EP zu erkennen. Eine Haftung des Auftragnehmers aus einem Mangel zur Leistungsbeschreibung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 in der VOB Teil B kann diesbezüglich nicht bestimmend sein. Vom Auftraggeber (AG) sind eindeutige Leistungsbeschreibungen zu sichern. Spekulationsangebote auszuschließen, sollte Aufgabe und Risiko des Bauherrn sein.
In einem Angebot kommen manchmal auch "Null-Einheitspreise" zum Ausweis. Null-Einheitspreise können, aber müssen nicht unrealistische, unvollständige oder sogar spekulative Preisangaben in einem Angebot darstellen. Eine Angabe von Null-Euro für einen Einheitspreis stellt auch eine Preisangabe dar. Im Allgemeinen mag ein Null-Einheitspreis zunächst unrealistisch erscheinen, möglicherweise sprechen aber sachliche Gründe für die Angabe.
Negative Einheitspreise – auch als Minus-Einheitspreis bezeichnet – können, müssen aber ebenfalls nicht eine Spekulation vermuten lassen. Das kann beispielsweise bei einigen Bauarbeiten wie bei Abbruch, Rückbau, Straßenbau und bei Erdarbeiten der Fall sein. Beim Abbruch und oft bei Erneuerung von Pflaster können evtl. Materialien gewonnen und wiederverwertet werden. Die daraus erzielbaren Erlöse können wertmäßig den kalkulierten Aufwand in einer Leistungsposition im LV übersteigen.
Spekulationsangebot
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Lässt die Prüfung und Wertung von Angeboten durch den Auftraggeber Vermutungen auf unangemessene, in der Preisstruktur unverständliche, wucherähnliche oder spekulative Preise bei öffentlichen Bauaufträgen zu, dann kann und sollte vom Bieter eine schriftliche Erklärung über die Kostenanteile der EP und die Offenlegung der Kalkulationsunterlagen – ähnlich wie bei Verdacht auf eine Mischkalkulation – verlangt werden. Dies sieht auch die Richtlinie 321 – Vergabevermerk, Prüfungs- und Wertungsübersicht – für Hochbaumaßnahmen des Bundes im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017) unter Tz. 3.3.2 vor.
Analoge Aussagen werden für Baumaßnahmen zum Straßen- und Brückenbau im Vergabehandbuch – HVA B-StB (Ausgabe August 2019) – im Teil 2 unter Tz. 2. 4 (Nr. 21 und 22 sowie 41 bis 47) getroffen.
Für die Aufklärung sollten die Aussagen in den ergänzenden Preisblättern (EFB-Preis) 221 bzw. 222 nach VHB-Bund sowie Formblatt 223 zur Aufgliederung der kalkulierten Einheitspreise sowie eine ggf. hinterlegte Urkalkulation herangezogen werden.
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