Die Aufhebung einer Ausschreibung ist der Vorgang, bei dem eine schon veröffentlichte Ausschreibung für eine Baumaßnahme wieder zurückgezogen wird. Das kann verschiedene Gründe haben.
Was bedeutet „Aufhebung einer Ausschreibung“?
Ziel der Ausschreibung für eine Baumaßnahme ist, Angebote von Bietern für die Bauausführung zu erhalten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Ausschreibung wieder aufgehoben werden.
Aufhebung bei öffentlichen Baumaßnahmen
Danach kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn:
- kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht, z. B. nach Prüfung und Wertung keine zuschlagsfähigen Angebote vorliegen oder weil Angebote von der Wertung ausgeschlossen werden mussten,
- die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen, z. B. aus technischen oder sonstigen Gründen,
- andere schwerwiegende Gründe bestehen, wenn z. B. nach Prüfung und Wertung nur Angebote mit unerwartet hohen, aber nicht angemessen hohen Preisen festgestellt werden und ggf. genehmigte Haushaltsmittel nicht ausreichen.
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Zu berücksichtigen sind außerdem spezielle Aussagen in den Vergabe- und Vertragshandbüchern:
zu Baumaßnahmen im Hochbau nach VHB-Bund (Stand 2019) im Formblatt 351 und zugehöriger Richtlinie zum „Vergabevermerk – Entscheidung über die Aufhebung / Einstellung“, wobei im Straßen- und Brückenbau nach HVA B-StB – Ausgabe 2023 im Richtlinientext unter Tz. 1.6.9 – Aufhebung der Ausschreibung –, wonach an die Aufhebungsvoraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen sind, z. B.: die Ausschreibung aufzuheben ist, wenn kein wirtschaftliches Angebot vorliegt oder
die Aufhebung dann zu erwägen ist, wenn aufgrund von eingegangenen Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen erkannt wird, dass unzweckmäßig ausgeschrieben wurde und dadurch eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Mittel nicht gewährleistet wäre.
Vorgehen bei ungünstigen Bieterangeboten
Oft halten öffentliche Auftraggeber die eingereichten Angebote mit Blick auf die vorher eingeholte Kostenschätzungen nach DIN 276 für zu hoch und begründen damit die Aufhebung der Ausschreibung. Allerdings reicht ein subjektiver Eindruck des Auftraggebers nicht als Begründung aus. Die Aufhebung darf nicht mit dem Ziel einer Korrektur ungünstiger Bieterergebnisse genutzt werden, sondern nur als eine Ausnahme erfolgen.
Dies kann der Fall sein, wenn:
Im Zusammenhang mit den Aufhebungsvoraussetzungen und -gründen hat die Vergabekammer des Bundes in ihrem Beschluss vom 17. Januar 2008 (Az.: VK 1-152/07) in einem Fall entschieden, dass eine Ausschreibung aufgehoben werden darf, wenn die abgegebenen Angebote deutlich (mehr als 30 %) über den vom Auftraggeber geschätzten Kosten liegen. Dies folgt dem Gebot der öffentlichen Hand zur sparsamen Wirtschaftsführung. Andererseits bleibt hervorzuheben, dass eine Aufhebung vorher mit nicht unerheblichen Kosten bei allen Beteiligten verbunden ist, die dann praktisch unnütz waren.
Informationspflicht zu aufgehobener Ausschreibung
Wird eine Ausschreibung aufgehoben, ist dies allen Bietern sowie bei Vergabeverfahren, die vor der Angebotseröffnung aufgehoben werden, allen Bewerbern unverzüglich mitzuteilen. Sie sind unter Angabe der Gründe in Textform zu unterrichten. Für öffentliche Hochbaumaßnahmen ist das Formblatt 352 aus dem VHB-Bund (2019) zu verwenden. Die Begründung kann entfallen, wenn der Bieter bereits ein Absageschreiben erhalten hat. Besteht die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, ist darüber ebenfalls in Textform zu informieren. Die Sendeprotokolle sind zu den Akten zu nehmen bzw. so lange sicher zu speichern, wie die sonstigen Vergabeunterlagen aufzubewahren sind.
Bei EU-weiten Ausschreibungen sowie verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Baumaßnahmen kann der öffentliche Auftraggeber bei einer Aufhebung jedoch bestimmte Informationen mit Bezug jeweils auf Abs. 2 Nr. 2 in den § 17 EU und § 17 VS der VOB Teil A zurückhalten, wenn die Weitergabe: - den Gesetzesvollzug behindert,
- dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft,
- die berechtigten geschäftlichen Interessen von öffentlichen oder privaten Unternehmen schädigt oder
- den fairen Wettbewerb beeinträchtigen würde.
Wie geht es nach einer Aufhebung weiter?
Nach der Aufhebung einer Ausschreibung kann – je nach vorliegenden Fall – in Betracht kommen, dass:
- die vorgesehene Baumaßnahme zurückgestellt und ggf. später erneut ausgeschrieben wird,
- eine unmittelbar anschließende erneute Ausschreibung vorgesehen ist oder
- evtl. eine Verhandlung mit einem oder mehreren (geeigneten) Bietern über eine Änderung der Angebote, beispielsweise zwecks einer freihändigen Vergabe, geführt wird.
Schadenersatz bei unberechtigter Aufhebung
Wurde eine Ausschreibung bzw. durch die Vergabestelle ein Vergabeverfahren unberechtigt aufgehoben und endet diese dadurch nicht mit einem Zuschlag an den wirtschaftlichsten Bieter bzw. Bewerber, dann hat dasjenige Bauunternehmen einen Anspruch auf Schadenersatz, dass sonst den Zuschlag erhalten hätte. Das wird in einem Urteil des BGH vom 8. Dezember 2020 (Az.: XIII 19/19) bekräftigt. Einen Anspruch auf Ersatz eines entgangenen Gewinns kann jedoch nur dann geltend gemacht werden, wenn die Vergabestelle den Auftrag anderweitig unberechtigt an einen nicht zuschlagsberechtigten Bieter vergibt.
Handelte es sich bei der aufgehobenen EU-weiten Ausschreibung um ein offenes Verfahren oder ein nicht offenes Verfahren, dann kann ein neues Vergabeverfahren bei Änderung der ursprünglichen Vergabeunterlagen ebenfalls nur als offenes oder ggf. nicht offenes Verfahren durchgeführt werden.