Bei Vorauszahlungen handelt es sich - im Gegensatz zu anderen Zahlungen - um einen Geldbetrag des Auftraggebers (AG), den er dem bauausführenden Unternehmer als Auftragnehmer zur Verfügung stellt, ohne dass dieser bereits eine Bauleistung erbracht bzw. ausgeführt hat. Kaufmännisch betrachtet handelt es sich praktisch um eine "Anzahlung ". Vorauszahlungen können bei einem VOB-Vertrag in den Vergabeunterlagen der Ausschreibung mit Angaben der Höhe, zur Zahlungsweise sowie der Art der Tilgung angegeben und vorgesehen werden, wenn dies durch besondere Umstände gerechtfertigt erscheint. Solche Zahlungen sind meistens üblich, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftszweig regelmäßig, und zwar sowohl bei öffentlichen als bei privaten Auftraggebern, ausbedungen werden. Im Werkvertragsrecht nach BGB sind dagegen Vorauszahlungen dem Grunde nach fremd, können aber auch analog wie bei VOB-Verträgen vereinbart werden. Verwiesen sei auf Aussagen unter Vorauszahlungen zum BGB-Vertrag. In der Bauwirtschaft werden Vorauszahlungen durchaus praktiziert, meistens in den letzten Monaten im Kalenderjahr vereinbart, wenn die Bauausführung erst zu Beginn des folgenden Jahres beginnt. In Verbindung mit Wirkungen aus der Corona-Pandemie in 2020 wird vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) im Erlass vom 23. März 2020 zu bauvertraglichen Fragen in Verbindung zur Corona-Pandemie „ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, gegen Bürgschaftsleistung des Auftragnehmers Vorauszahlungen nach § 16 Abs. 2 VOB/B zu leisten. Ob dies für die Fortführung einer Baumaßnahme jeweils sinnvoll ist, bliebe im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden. Falls in Verbindung mit der Corona-Pandemie Vorauszahlungen vom öffentlichen Auftraggeber geleistet werden, sind Zinsen dafür nicht zu fordern.
Bei öffentlichen Bauaufträgen können Vorauszahlungen in den Vergabeunterlagen nach den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) in der Richtlinie 214, Tz. 9.1 im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017, Stand 2019) auch dann vorgesehen werden, wenn „dies allgemein üblich oder durch besondere Umstände gerechtfertigt ist“. Besondere Umstände können für das bauausführende Unternehmen als Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistung infolge ihres Umfangs oder ihrer Eigenart mit einer unzumutbaren Kapitalinanspruchnahme verbunden sein. Ein Grund für Vorauszahlungen ist aber nicht gegeben, wenn bei öffentlichen Auftraggebern am Ende des Haushaltjahrs Ausgaben vor Fälligkeit geleistet werden, um zu verhindern, dass die Ausgaben sonst verfallen. Die Gründe für eine Vereinbarung von Vorauszahlungen sind aktenkundig zu machen.
Bei einem Bauvertrag auf Basis der VOB Teil B werden Regelungen in § 16 Abs. 2 VOB/B getroffen. Der Auftragnehmer kann und sollte ggf. an den Auftraggeber seinen Wunsch auf Vereinbarung einer Vorauszahlung herantragen. Im Einzelnen gelten folgende Voraussetzungen für die Vorauszahlung nach VOB:
Vereinbarung vor, aber auch möglich nach Vertragsabschluss,
nur Zahlungsverkehr und kein Entgelt für eine Bauleistung.
Für eine erfolgte Vorauszahlung kann und wird der Auftraggeber in der Regel:
Der Basiszinssatz beträgt seit 1. Juli 2016 = ./. 0,88 %. Zuzüglich 3 % ergibt das eine Verzinsung von 2,12 % für Vorauszahlungen (vorher vom 01.01.2015 bis 30.06.2016 = ./. 0,83 % und 2,17 %).
Zur Zahlung ist keine Fälligkeit bestimmt. Die Vorauszahlung an den Auftragnehmer erfolgt in der Regel nach individueller Absprache zwischen den Partnern.
Leistet der Auftraggeber eine Vorauszahlung, so wird er vom Bauunternehmen dafür meistens eine Vorauszahlungsbürgschaft als Sicherheit in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft verlangen. Bei öffentlichen Bauaufträgen im Bereich des VHB-Bund (Stand 2019) ist das Formblatt 423 – Abschlagszahlungs-/ Vorauszahlungsbürgschaft - zu verwenden sowie die Aussagen in der Richtlinie zum Formblatt zu beachten. Danach dürfen Vorauszahlungen, die vertraglich nicht vereinbart sind, mit öffentlichen Auftraggebern nachträglich ohne ausdrückliche Vertragsänderung nicht geleistet werden. Ausnahmsweise dürfen jedoch Vorauszahlungen nach Vertragsabschluss auf Antrag des Auftragnehmers unter Abwägung aller Umstände und unter Berücksichtigung der Grundsätze sparsamer Wirtschaftsführung vereinbart werden. Eine Vorauszahlungsbürgschaft ist unbefristet auszustellen. Vorauszahlungen sind durch den Auftraggeber auf die nächstfälligen Zahlungen zu vorliegenden Abschlagsrechnungen vom Auftragnehmer anzurechnen, soweit damit Leistungen abzugelten sind, für welche die Vorauszahlungen gewährt worden sind. Der Auftraggeber wird die Vorauszahlung solange mit folgenden Abschlagsrechnungen des Auftragnehmers verrechnen, bis die Vorauszahlung getilgt ist. Sind die Vorauszahlungen abgearbeitet bzw. getilgt, ist die Bürgschaftsurkunde über die Vorauszahlung wieder vom Auftraggeber dem Auftragnehmer zurückzugeben. Sie erlischt mit der Rückgabe.