Baurecht / BGB

Vorauszahlungen zum Bauvertrag

Vorauszahlungen im Zusammenhang mit einem Bauvertrag sind Gelder, die Auftraggeber an Auftragnehmer zahlen, ohne, dass die Leistung tatsächlich erbracht wurde. In der Baubranche sind Vorauszahlungen üblich.

Was sind Vorauszahlungen?

Bei Vorauszahlungen handelt es sich – im Gegensatz zu anderen Zahlungen – um einen Geldbetrag des Auftraggebers, den er dem Auftragnehmer zur Verfügung stellt, ohne dass dieser schon eine Leistung erbracht bzw. ausgeführt hat.
Praktisch handelt es sich bei Vorauszahlungen um eine Anzahlung. Solche Zahlungen sind üblich, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftszweig regelmäßig beansprucht werden – und zwar sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Auftraggebern.
In der Bauwirtschaft werden Vorauszahlungen oft in den letzten Monaten des Kalenderjahres vereinbart, wenn die Bauausführung erst zu Beginn des folgenden Jahres startet.
Die Vorauszahlung an den Auftragnehmer erfolgt nach individueller Absprache der Vertragspartner.
Die Vorauszahlung an den Auftragnehmer erfolgt nach individueller Absprache der Vertragspartner. Bild: © f:data GmbH

Vorauszahlungen nach VOB-Vertrag

Vorauszahlungen können bei einem VOB-Vertrag in den Vergabeunterlagen der Ausschreibung mit Angaben der Höhe, zur Zahlungsweise sowie der Art der Tilgung angegeben und vorgesehen werden, wenn dies durch besondere Umstände gerechtfertigt erscheint. Dazu werden Regelungen in § 16 Abs. 2 in der VOB Teil B getroffen. Das Bauunternehmen als Auftragnehmer sollte seinen Wunsch ggf. an den Bauherrn als Auftraggeber äußern.
Im Einzelnen gelten folgende Bedingungen für die Vorauszahlung nach VOB, wie:
  • vertragliche Vereinbarung als zulässige Individualvereinbarung, in der Regel in den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB),
  • Vereinbarung vor, aber auch nach Vertragsabschluss möglich und
  • nur Zahlungsverkehr und kein Entgelt für eine Bauleistung.
Die Gründe für Vorauszahlungen müssen aktenkundig gemacht werden.

Vorauszahlungen bei öffentlichen Bauaufträgen

Bei öffentlichen Bauaufträgen können Vorauszahlungen in den Vergabeunterlagen sowie in den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) vorgesehen werden.
In den Vergabehandbüchern werden als Voraussetzungen hierzu vermerkt zu Baumaßnahmen im:
  • Hochbau im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017, Stand 2019) in der Richtlinie 214 (Tz. 9.1) zu Vorauszahlungen, wenn „dies allgemein üblich oder durch besondere Umstände gerechtfertigt ist“ und
  • Straßen- und Brückenbau nach HVA B-StB (Ausgabe 2023) im Richtlinientext unter Tz. 2.8.4 (Nr. 472), wonach Vorauszahlungen nur geleistet werden dürfen, wenn eine Vereinbarung vorliegt, z. B. für noch nicht eingebaute Stoffe und für eigens geforderte und angefertigte Großbauteile wie Brückenüberbauten.
Besondere Umstände können für das bauausführende Unternehmen als Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistung infolge ihres Umfangs oder ihrer Eigenart mit einer unzumutbaren Kapitalinanspruchnahme verbunden sein. Ein Grund für Vorauszahlungen ist aber nicht gegeben, wenn bei öffentlichen Auftraggebern am Ende des Haushaltsjahres Ausgaben vor Fälligkeit geleistet werden, um zu verhindern, dass die Ausgaben sonst verfallen.

Vorauszahlungen bei BGB-Verträgen

Im Werkvertragsrecht nach BGB sind dem Grunde nach Vorauszahlungen fremd. Sie können aber auch analog zu den VOB-Verträgen nach den Regelungen in § 16 Abs. 2 VOB/B vereinbart werden.
In Verbindung mit dem reformierten Bauvertragsrecht im BGB ab 2018 sind dabei besondere Aspekte zu beachten. Damit eventuelle Vorauszahlungen nicht hinter „überhöhten“ Abschlagszahlungen versteckt werden, wurde ab 1. Januar 2018 nach § 650m Abs. 1 BGB eine Begrenzung von Abschlagszahlungen nach BGB der Höhe nach von maximal 90 % der vereinbarten Gesamtvergütung – einschließlich von Nachtragsleistungen – vorgesehen.
Die angeführte Begrenzung von Abschlagszahlungen gilt jedoch nicht für den Bauträgervertrag nach BGB, da sie mit den Regelungen nach § 3 Abs. 2 in der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) nicht vereinbar scheint. Im Übrigen sei verwiesen auf Abschlagszahlungen bei Bauträgerverträgen.

Sicherheit für die Auftraggeber

Für eine Vorauszahlung kann und wird der Auftraggeber in der Regel eine angemessene Sicherheit verlangen. Dies kann mittels einer Vorauszahlungsbürgschaft in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft erfolgen.
Bei öffentlichen Bauaufträgen im Bereich des VHB-Bund ist das Formblatt 423 – Abschlagszahlungs- / Vorauszahlungsbürgschaft – zu verwenden, sowie die Aussagen in der Richtlinie zum Formblatt zu beachten. Danach dürfen Vorauszahlungen, die vertraglich nicht vereinbart sind, mit öffentlichen Auftraggebern nachträglich ohne ausdrückliche Vertragsänderung nicht geleistet werden.
Ausnahmsweise dürfen jedoch Vorauszahlungen nach Vertragsabschluss auf Antrag des Auftragnehmers unter Abwägung aller Umstände und unter Berücksichtigung der Grundsätze sparsamer Wirtschaftsführung vereinbart werden.
Eine Vorauszahlungsbürgschaft ist unbefristet auszustellen. Sie erlischt mit der Rückgabe.
In Verbindung mit und während der Corona-Pandemie wurde ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, gegen die Bürgschaftsleistung des Auftragnehmers Vorauszahlungen nach § 16 Abs. 2 VOB/B zu leisten.

Müssen Vorauszahlungen verzinst werden?

Die Vertragspartner können gemeinsam eine Vereinbarung zur Verzinsung treffen. Bei einem VOB-Vertrag kann bei fehlender Vereinbarung vom Bauherrn eine Verzinsung in Höhe von 3 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB verlangt werden.
Der Basiszinssatz beträgt seit 1. Juli 2024 = 3,37 % (vorher im 1. Halbjahr 2024 = 3,62 %). Zuzüglich 3 % ergibt das eine Verzinsung von 6,37 % für Vorauszahlungen seit 1. Juli 2024.

Anrechnung von Vorauszahlungen durch Auftraggeber

Zur Zahlung einer Vorauszahlung ist keine Fälligkeit bestimmt. Die Vorauszahlung an den Auftragnehmer erfolgt in der Regel nach individueller Absprache zwischen den Vertragspartnern.
Erfolgte Vorauszahlungen sind durch den Auftraggeber auf die nächst fälligen Zahlungen zu vorgelegten Abschlagsrechnungen vom Auftragnehmer anzurechnen. Abzugelten sind nur Leistungen, für die Vorauszahlungen gewährt worden sind.
Der Auftraggeber wird die Vorauszahlung so lange mit folgenden Abschlagsrechnungen des Auftragnehmers verrechnen, bis die Vorauszahlung getilgt ist. Sind die Vorauszahlungen getilgt, ist dann auch die Bürgschaftsurkunde über die Vorauszahlung wieder vom Auftraggeber zum Auftragnehmer zurückzugeben.
Bei Vorauszahlungen gilt zur Umsatzsteuer die Umsatzsteuer-Ist-Besteuerung von Bauleistungen, soweit nicht Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) vorliegt. Bei der Ist-Besteuerung wird die Umsatzsteuer erst bei erhaltener Vorauszahlung fällig.

Mögliche Rückforderung der Vorauszahlung

Eine Vorauszahlung kann vom Auftraggeber als Besteller ggf. auch zurückverlangt werden.
Dies kann der Fall sein, wenn:
  • der Auftraggeber den Bauvertrag kündigt und der bisherige Leistungsumfang des Auftragnehmers geringer als die gewährte Vorauszahlung ist oder
  • der Auftragnehmer vor Ausführung beauftragter Leistungen insolvent wird.
Dem Auftraggeber obliegt es dann, eine Aufstellung zur Rückforderung vorzunehmen. Daraus soll ersichtlich sein, in welcher Höhe der Auftraggeber bereits Vorauszahlungen geleistet hat und diesen Zahlungen bisher keine ausgeführten Bauleistungen gegenüberstehen.
Aussagen hierzu erfolgten mit einem Urteil des BGH vom 11. Juli 2024 (Az.: VII ZR 17 / 23) zur Abrechnung. Betont wurde zugleich, dass das Verhältnis zwischen Auftraggeber und eines Bürgen bei gewährter Vorauszahlungsbürgschaft analog zu betrachten sei, wie zwischen Auftraggeber und Bauunternehmen als Auftragnehmer.
Sofern ein Pauschalpreisvertrag dem Bauvorhaben zugrunde lag und dieser gekündigt wurde, sind die ausgeführten Bauleistungen darzulegen und von den noch nicht erbrachten Leistungen abzugrenzen. Für die Höhe der Vergütung kann das Verhältnis aus dem Wert der bisher ausgeführten Bauleistung und zur auszuführenden Gesamtleistung des Bauvorhabens herangezogen werden.
Tipp aus der Praxis
„Für die Aufrechnung mit Abgrenzung zu erbrachten Leistungen wird ein Gutachten eines Sachverständigen empfohlen, wenn dem Pauschalpreisvertrag vorher kein detailliertes Leistungsverzeichnis (LV) zugrunde lag. Dem Auftraggeber bleiben dann die Kalkulationsgrundlagen des Auftragnehmers unbekannt.“
Herzlichen Dank an Prof. Dr. habil. Siegmar Kloß für die fachliche Unterstützung bei diesem Artikel auf bauprofessor.de.
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