Was ist eine Preisaufklärung?
Der Bauherr als Auftraggeber kann vom Bieter nach Öffnung des Angebots zu einer ausgeschriebenen Baumaßnahme eine Aufklärung zu den Preisen verlangen. Das gilt nicht nur zu rechnerischen Unklarheiten, sondern auch zu inhaltlichen Aussagen der Preiskalkulation bei unangemessenen Preisen.
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Wofür können Preisaufklärungen verlangt werden?
Die Aufklärung zu Preisen kann verlangt werden:
Ob und wieweit kalkulierte Einheitspreise marktüblichen Preisen entsprechen oder von ihnen abweichen, ist dem Bieter nicht vorzuschreiben und von ihm frei zu entscheiden. Dem Bieter ist es auch zu überlassen, wie er die Gemeinkosten innerhalb der Kalkulation auf die einzelnen Einheitspreise verrechnet bzw. umlegt. Ob Kosten vollständig berücksichtigt werden und die Preise sachlich und der Höhe nach zutreffend sind, obliegt der Kalkulationsfreiheit des Bieters auf Grundlage seiner betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Erscheinen die kalkulierten Preise jedoch unangemessen hoch oder niedrig, kann der Auftraggeber Aufklärungen verlangen. Dem öffentlichen Auftraggeber ist diese Aufgabe verpflichtend. Das wird meistens dann notwendig sein, wenn erhebliche Unterschiede zu Preisen zwischen verschiedenen Angeboten vorliegen.
Was gilt bei öffentlichen Bauaufträgen?
- der VOB Teil A bei nationalen Ausschreibungen im Unterschwellenbereich in § 15 Abs. 1, Nr. 1 im Abschnitt 1, analog im offenen und nicht offenen Verfahren bei EU-weiten Ausschreibungen bei Erreichen der Schwellenwerte in § 15 EU Abs. 1, Nr. 1 im Abschnitt 2 sowie im nicht offenen Verfahren bei verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Baumaßnahmen im § 15 VS Abs. 1, Nr. 1 im Abschnitt 3.
- den Vergabehandbüchern wie zu Hochbaumaßnahmen im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017, Stand 2019) mit der Richtlinie 321 (Tz. 5.1 zu - Beurteilung der Preise -) und zum Straßen- und Brückenbau in HVA B-StB (Ausgabe August 2019) im Teil 2 unter Tz. 2.4 - Prüfung und Wertung der Angebote.
Danach ist der Auftraggeber berechtigt, nach Öffnung von Angeboten bis zur Zuschlagserteilung vom Bieter Aufklärung zur Angemessenheit der kalkulierten Preise zu verlangen. Falls es nötig ist, gilt dies auch für eine Einsicht in die vorzulegenden Preiskalkulationen bzw. Unterrichtung darüber durch den Bieter.
Die Vergabekammer (VK) des Bundes hat mit Beschluss vom 25. Mai 2020 (VK 1-24/20) u. a. entschieden, dass der öffentliche Auftraggeber
- vor Erteilung eines Zuschlags auf ein Angebot dieses vertieft prüfen muss
- Erklärungen sich zur späteren Vorlage vorbehalten kann, sofern sie nicht mit Vorlage des Angebots verlangt werden
- bei einem evtl. Ausschluss des Angebots wegen des Preises verpflichtet ist, den Angebotspreis des Bieters unter dessen Mitwirkung näher aufzuklären
Mit dem Aufklärungsverlangen ist keine Befugnis bei öffentlichen Bauaufträgen zu Preisverhandlungen mit dem Bieter bzw. Auftragnehmer oder sogar einer Änderung zur Preisgestaltung verbunden. Es gilt für den Auftraggeber ein Nachverhandlungsverbot zu Preisen. Das bekräftigen jeweils § 15 Abs. 3 sowie § 15 EU Abs. 3 in der VOB/A. Ausnahmsweise können jedoch Verhandlungen zu Nebenangeboten oder Angeboten auf Grundlage einer Ausschreibung mit Leistungsprogramm (LP) erfolgen, wenn sie nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren. Welche Unterlagen dienen der Preisaufklärung?
Sind die Preise erkennbar unangemessen, so können folgende Preisermittlungsunterlagen herangezogen, darin Einsicht genommen und danach gewertet werden:
- vorzulegende ergänzende Formblätter Preise (EFB-Preis) 221 bis 223 nach VHB-Bund
- eine zum Angebot übergebene Urkalkulation eingesehen und gewertet werden
Wichtig bei unangemessen niedrigen Preisen
Preisaufklärungen sind besonders dann von Bedeutung, wenn unangemessen niedrige Einheitspreise (z. B. Euro- oder Cent-Preise) als Folge von Kostenverlagerungen vorliegen. Sie können ein Anzeichen für eine unzulässige Mischkalkulation sein. Es liegt evtl. sogar eine Kalkulation von Spekulationspreisen vor. Setzt der Bieter aber bei der Preisbildung keinen Ansatz für Wagnis & Gewinn (W & G) an, dann ist es seine Entscheidung, zu der keine weitere Aufklärung erforderlich ist. Ebenso müssen Null-Einheitspreise nicht unrealistisch sein bzw. unangemessene oder unvollständige Preisangaben durch den Auftragnehmer darstellen. Eine Angabe von Null-Euro für einen Einheitspreis stellt auch eine Preisangabe dar. Im Allgemeinen mag ein Null-Einheitspreis zunächst unrealistisch erscheinen, möglicherweise sprechen aber sachliche Gründe für die Angabe. Sollten Null-Einheitspreise als unangemessen niedrig angesehen werden, kann vom Bieter ebenfalls eine Aufklärung verlangt werden. In einem Angebot oder auch in einem Nachtrag kann auch ein negativer Einheitspreis – auch als Minus-Einheitspreis bezeichnet – bei einzelnen Positionen im Leistungsverzeichnis erscheinen. Beispielsweise können sich beim Abbruch und Rückbau evtl. Materialien gewinnen und wiederverwerten lassen. Übersteigen die daraus erzielbaren Erlöse wertmäßig den kalkulierten Aufwand, dann kann der Bieter diese Erlöse in den entsprechenden Einheitspreisen gewissermaßen „gutschreiben“. Möglich wäre als Folge ein negativer Einheitspreis. Möglicher Ausschluss von Angeboten
Der Auftragnehmer ist zur Mitwirkung bei verlangter Preisaufklärung verpflichtet. Verweigert er die geforderten Aufklärungen und Angaben oder lässt er die ihm vom Auftraggeber gesetzte angemessene Nachfrist unbeantwortet verstreichen, so kann bei öffentlichen Baumaßnahmen sein Angebot nach § 15 Abs. 2 VOB/A unberücksichtigt bleiben. Die Entscheidung darüber ist von der Vergabestelle zu treffen, jedoch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu den Pflichtverletzungen.