Die förmliche Abnahme ist durchzuführen, wenn sie von einer Vertragspartei der auszuführenden Baumaßnahme verlangt wird.
Grundlagen zur förmlichen Abnahme
Bild: © f:data GmbH
Die förmliche Abnahme ist hauptsächlichste Abnahmeform zur Abnahme bei VOB-Verträgen mit Bezug auf § 12 Abs. 4 in VOB Teil B. Bei ihrer Vereinbarung von den Vertragspartnern wird das Bauunternehmen als Auftragnehmer dem Auftraggeber (AG) die Fertigstellung der ausgeführten Leistungen mitteilen und zugleich um förmliche Abnahme bitten, meistens zugleich mit einem Terminvorschlag für die Durchführung der förmlichen Abnahme. Liegen Mängel zur Abnahme vor, dann sind auch später die Mängelbeseitigungsleistungen förmlich abzunehmen. Zweck und Form der förmlichen Abnahme
Mit einer förmlichen Abnahme soll erreicht werden, dass bereits bei der Abnahme weitgehende Übereinstimmung herrscht und etwaige Differenzstandpunkte eindeutig formuliert werden. Das Ergebnis der Abnahme ist schriftlich niederzulegen. In der Niederschrift sind nach § 12 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B bereits etwaige Vorbehalte zu noch festgestellten Mängeln und ggf. möglichen Vertragsstrafen und Einwendungen des Auftragnehmers aufzunehmen. Die förmliche Abnahme kann auch in Abwesenheit des Auftragnehmers erfolgen, wenn dieser trotz Ladung der Abnahme fernbleibt. Da die Abnahme eine Aufgabe des Auftraggebers ist, kann und wird er in der Regel den Termin für die Durchführung der förmlichen Abnahme bestimmen.
Verhalten bei wesentlichen Mängeln
Liegen wesentliche Mängel vor, kann der Auftraggeber:
Förmliche Abnahme bei öffentlichen Bauaufträgen
Öffentliche Bauaufträge sind förmlich abzunehmen, wenn die Bauleistungen nach den Regelungen in der VOB Teil A sowie den bauspezifischen Vergabehandbüchern ausgeschrieben und vergeben werden, wobei zu Hochbaumaßnahmen nach den Anforderungen im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017, Stand 2019) zu verfahren ist. Förmliche Abnahme nach VHB-Bund
Die entsprechenden Regelungen für die Abnahmen sind im VHB-Bund 2017, Stand 2019 in folgenden Richtlinien und gleichlautenden Formblättern festgelegt:
Die Richtlinie zu 442 – Abnahme – trifft die nachfolgenden Aussagen:
1. Allgemeines
1.1 Das Formblatt 442 findet Anwendung bei Abnahme
nach Fertigstellung der gesamten Leistung oder
nach Fertigstellung in sich geschlossener Teile von Leistungen sowie
im Fall der Kündigung nach § 8 Abs. 7 VOB/B.
1.3 Die Leistung ist ab einer Auftragssumme von 10.000 € förmlich abzunehmen.
1.4 Die Abnahme ist eine Rechtshandlung und Hauptleistungspflicht des Auftragnehmers.
Mit der Abnahme:
wird die Leistung als vertragsgemäß ausgeführt gebilligt,
beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche,
geht die Gefahr für die Bauleistung auf den Auftraggeber über.
Nach der Abnahme:
können Ansprüche auf Beseitigung bereits erkannter und nicht ausdrücklich vorgehaltener Mängel nicht mehr durchgesetzt werden,
hat der Auftraggeber zu beweisen, dass später festgestellte Mängel auf vertragswidrige Leistung zurückzuführen sind,
können Vertragsstrafen, die nicht vorbehalten sind, nicht mehr verlangt werden.
Wegen dieser weitreichenden Wirkungen bedarf die Abnahme gründlicher Vorbereitung und besonderer Sorgfalt.
1.5 Die Voraussetzungen für die Abnahme sind
Bei Fehlen von vertraglich geschuldeten Leistungen wie z. B. Bestandszeichnungen/- pläne, Bedienungsanleitungen u. a. kommt eine Abnahme in der Regel - wegen der Bedeutung dieser Unterlagen - nicht in Betracht. Aufzuführen sind auch alle weiteren bis zum Abnahmezeitpunkt bekannt gewordenen Mängel.
1.6 Die rechtsgeschäftliche Erklärung der Abnahme obliegt der baudurchführenden Ebene; freiberuflich Tätige sind zur Abgabe dieser Erklärung nicht befugt.
Bei förmlicher Abnahme ist das Formblatt Abnahme 442 unmittelbar nach der Begehung von beiden Vertragsseiten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung ist dem Auftragnehmer zu übergeben oder zu übersenden.
1.7 Findet keine förmliche Abnahme statt, ist dem Auftragnehmer die Abnahme unter Verwendung des Formblattes Abnahme 442 schriftlich mitzuteilen. Die Unterschrift des Auftragnehmers ist hierbei nicht erforderlich.
Bei geringfügigen und technisch einfachen Arbeiten, z. B. Leistungen aufgrund von Bestellscheinen und kleinen Bauunterhaltungsarbeiten, kann auf die schriftliche Mitteilung verzichtet werden. Vorbehalte nach § 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B müssen dem Auftragnehmer jedoch innerhalb der in § 12 Abs. 5 Nr. 1 und 2 VOB/B genannten Fristen schriftlich mitgeteilt werden.
1.8 Grundsätzlich kann erst nach den gegenüber den ausführenden Auftragnehmern erfolgten Abnahmen die Übergabe an den Nutzer oder die liegenschaftsverwaltende Stelle (sog. Übernahme) erfolgen; diese Übergabe/Übernahme ist nicht identisch mit den Abnahmen nach § 12 VOB/B und ersetzt sie auch nicht.
Weiterhin sind bei der Abnahme folgende Aspekte zu beachten:
Bei wesentlichen Mängeln ist die Abnahme zu verweigern. Die Gründe sind festzuhalten und dem Auftragnehmer schriftlich mitzuteilen.
Die Leistungen zur Mängelbeseitigung sind förmlich abzunehmen, sofern ihre Bedeutung dies verlangt. Das VHB (Ausgabe 2017, Stand 2019) enthält ein Formblatt 443 zur Abnahme von Mängelbeseitigungsleistungen sowie ergänzende Aussagen in der Richtlinie zum Formblatt. Mindestens im Geltungsbereich des VHB-Bund ist es bei öffentlichen Aufträgen zu berücksichtigen. Betriebstechnische Anlagen, für die eine Vereinbarung nach Richtlinie zum Formblatt Besondere Vertragsbedingungen Nr. 6.4 getroffen worden ist, sind nach Fertigstellung zu übernehmen. Die Übernahme ist zu bescheinigen. In der Bescheinigung ist die Geltendmachung einer vereinbarten Vertragsstrafe vorzubehalten.
Hat sich erst während des Bauablaufs herausgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Prüfung der betriebstechnischen Anlage auf Vertragsmäßigkeit (Funktionsprüfung) bis zur Fertigstellung der Leistung nicht geschaffen werden können, soll mit dem Auftragnehmer eine Vereinbarung entsprechend der Richtlinie zum Formblatt Besondere Vertragsbedingungen Nr. 6.4 getroffen werden.
Förmliche Abnahme nach HVA B-StB
Bei Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau sind die Anforderungen und Regelungen zur Durchführung der Abnahme im Teil 3 unter Tz. 3.10 – Abnahme – im Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB, Ausgabe August 2019) zu berücksichtigen. Vorzusehen sind danach die Anfertigung einer "Abnahmeniederschrift im Straßenbau" nach Muster im Teil 4 (Vordrucke), über den Befund bzw. das Ergebnis der gemeinsamen Verhandlung zur Abnahme. Das Abnahmeverlangen ist gegenüber dem Auftragnehmer ebenfalls mit Vordruck auszusprechen. Die Vordrucke können bereits vor Beginn der Abnahmeverhandlung so weit als möglich, im Übrigen an Ort und Stelle ausgefüllt werden. Die Niederschrift ist anschließend zu unterzeichnen. Je nach dem Ergebnis der Feststellungen bei der Abnahme ist die Leistung entweder abzunehmen oder die Abnahme zu verweigern.
Verzicht auf förmliche Abnahme
Die Bauvertragsparteien können im Einzelfall auch auf eine vereinbarte förmliche Abnahme einvernehmlich verzichten, bekräftigt in einem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 18. Dezember 2018 (Az.: 22 U 93/18). Voraussetzung wäre, dass sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer keine förmliche Abnahme verlangen und gegen eine fiktive Abnahme (als Nichtverlangen der Abnahme oder bei vorheriger Ingebrauchnahme der Leistung) nach § 12 Abs. 5 VOB/B keinen Einwand haben. Möglich wäre der Fall, dass der Auftragnehmer bereits die Schlussrechnung zur Fertigstellung legte und der Auftraggeber die fertige Bauleistung in Nutzung nimmt und dabei beide Parteien nicht mehr auf einer förmlichen Abnahme bestehen. Das wird nur dann möglich sein, wenn die vereinbarte Bauleistung vollständig und ohne wesentliche Mängel erbracht wurde. Zustandsfeststellung zur weiteren Prüfung
Werden Teile der beauftragten Bauleistung einer weiteren Prüfung und Feststellung entzogen, können die Partner des Bauvertrags eine Zustandsfeststellung zur Bauleistung nach § 4 Abs. 10 der VOB/B verlangen. Das VHB-Bund (Ausgabe 2017, Stand 2019) enthält das Formblatt 441 zur Zustandsfeststellung von Teilen der Bauleistung sowie eine Richtlinie zum Formblatt. Neu formuliert wurde in Tz. 1 zur Richtlinie 441 zwecks Klarstellung ab 2018, dass das Verlangen einer gemeinsamen Zustandsfeststellung dem Auftragnehmer mitgeteilt werden muss. Verweigert der Auftragnehmer die Teilnahme bzw. Mitwirkung, dann kann die Zustandsfeststellung durch den Auftraggeber allein erfolgen. Diese Zustandsfeststellung ist nicht der rechtsgeschäftlichen Abnahme nach § 12 VOB/B gleichzusetzen. Mit einer solchen Feststellung treten nicht die Rechtsfolgen wie bei einer Abnahme ein. Zu unterscheiden ist die Zustandsfeststellung nach § 4 Abs. 10 VOB/B von der Zustandsfeststellung bei BGB-Verträgen nach § 650g BGB bei Verweigerung der Abnahme durch den Besteller des Bauwerks.