Die Haftung entfällt, wenn der GU bzw. HU nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden von einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Beitragspflichten seines Nachunternehmers ausgehen konnte. Ein Verschulden des GU bzw. HU ist ebenfalls ausgeschlossen, soweit und solange er die Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers nachweist:
entweder durch eine Präqualifikation mit Eintrag im Präqualifikationsverzeichnis als allgemein zugänglicher und abrufbarer Liste, die den Eignungsvoraussetzungen nach § 6b Abs. 1 im Abschnitt 1 der VOB Teil A bei nationalen Ausschreibungen im Unterschwellenbereich (analog auch nach § 6b EU, Abs. 1 im Abschnitt 2 zu EU-weiten Ausschreibungen bei Erreichen der Schwellenwerte und nach § 6b VS Abs. 1 im Abschnitt 3 bei Baumaßnahmen für Sicherheit und Verteidigung) entspricht, oder durch Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der zuständigen Einzugsstelle für den Nachunternehmer, mit der bestätigt wird, dass der NU seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt.
Nach der ergänzenden Änderung in § 28e Abs. 3f im SGB IV, die seit 1. Juli 2020 gilt, wird deutlich ausgesagt, dass Unbedenklichkeitsbescheinigungen für den gesamten Zeitraum der Auftragsvergabe bzw. Bauausführung des Auftrages „lückenlos“ vorliegen müssen. Nur dann wäre eine Enthaftung möglich. Dies war in der Vergangenheit umstritten. Bescheinigungen lagen zwar vor Auftragsvergabe vor, waren aber oft nicht durchgängig für den gesamten Zeitraum der Vertragsdauer bis Bauzeitende vorhanden.
Mit Bezug auf die Haftung des GU bzw. HU zur Unfallversicherung bietet die Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) für einen leistenden Nachunternehmer eine "qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung (qUB)" an, wenn dieser seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der BG Bau nachkommt. Dies wäre wichtig, wenn der Nachunternehmer nicht in der Liste der Präqualifikation geführt wird und der GU/HU geeignete Nachweise bzw. eine Unbedenklichkeitsbescheinigung verlangt. Der General- bzw. Hauptunternehmer sollte bei der Nachunternehmerauswahl die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns anwenden. Die Haftung gilt grundsätzlich nur für direkt von ihm beauftragte andere Unternehmer. Ist es dem GU/HU nicht möglich, eine Exkulpation für den Haftungsbereich zu erreichen, dann bliebe vor einer vertraglichen Verpflichtung des Nachunternehmers die eingehende Prüfung zur Erfüllung der Zahlungspflicht des Nachunternehmers erforderlich.
Das Haftungsrisiko könnte beispielsweise durch folgende Aspekte gemildert werden:
Einbehalt eines Anteils aus der Auftragssumme (netto) des Nachunternehmers zur Sicherung von Haftungsansprüchen durch die Einzugsstellen, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nur vor Auftragsvergabe, nicht aber für die gesamte Ausführungsdauer ausgestellt wurde,
Weitergabe von Leistungen des Nachunternehmers an weitere Unter-Nachunternehmer nur nach Einwilligung des General- bzw. Hauptunternehmers,
Ermächtigung des Nachunternehmers zur Einholung von Auskünften durch den General- bzw. Hauptunternehmer bei den Einzugsstellen,
Vereinbarung von speziellen Kontrollrechten zur Benennung der einzusetzenden Personen auf der Baustelle und ihrer Entlohnung, Regelung zu einer Strafe bei einem schuldhaften Verstoß der nicht erfolgten Abführung der SV-Beiträge oder der nicht zugestimmten Weitergabe von Bauleistungen an andere Unternehmer.
Zuständig für die Abforderung der Haftung als Geltendmachung der Beiträge sind für die:
Sozialversicherungsbeiträge die Einzugsstellen, im Regelfall die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung für den einzelnen Arbeitnehmer durchgeführt wird,
Unfallversicherungsbeiträge die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau), wobei die Haftung vorrangig Fälle von beantragten Insolvenzen der Nachunternehmer betrifft, wonach der Beitrag kaum noch einzufordern ist.
Die Haftung umfasst neben den Beiträgen auch die Säumniszuschläge infolge der Pflichtverletzung. Die General- bzw. Hauptunternehmerhaftung gilt auch für:
die Einhaltung zur Zahlung der gesetzlichen Mindestentgelte sowie speziell des Mindestlohns im Baugewerbe nach § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG), dem Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe (TV-Mindestlohn) sowie weiteren TV in verschiedenen Baunebengewerben, wenn ein vom Hauptunternehmer beauftragter Nachunternehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Diese Garantiehaftung des GU bzw. HU wurde höchstrichterlich auch als Europa-rechtskonform und mit dem Grundgesetz vereinbar entschieden.
Die Haftung zum Mindestlohn-Bau und den Urlaubskassenbeiträgen gilt für die gesamte Nachunternehmerkette, wenn vom Nachunternehmer auch noch ein weiterer Nachunternehmer eingesetzt wird usw. Der GU- bzw. HU kann auch von den Arbeitnehmern aller Nachunternehmer in der Kette als Bürge in Anspruch genommen werden. Erläuterungen hierzu liefert auch der "Leitfaden - Mindestlöhne im Baugewerbe (herausgegeben vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB))".
Grundlage ist das zu zahlende Nettoentgelt für die Haftungssicherung zum Mindestlohn. Es umfasst den Betrag, der nach Abzug der gesamten Sozialversicherungsbeiträge sowie von Lohnsteuer an den gewerblichen Arbeitnehmer auszuzahlen ist. Für das Urlaubsverfahren ist noch der Beitragsanteil an die Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten. Dafür stellt die SOKA-Bau Vollmachtformulare (aktualisiert nach den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung) auf ihrer Internetseite zur Einholung von Auskünften bereit, inwieweit Beiträge gegenüber der SOKA-Bau geleistet werden. Tritt eine Insolvenz ein, dann haftet der GU- bzw. HU nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit. Dies leitet sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 ab. Ein Rückgriff bei gezahltem Insolvenzgeld auf den Hauptunternehmer wird als "systemfremd" angesehen. Anliegen des Hauptunternehmers ist es, das Risiko aus der Haftung möglichst zu minimieren und dafür geeignete Maßnahmen zur Haftungssicherung zum Mindestlohn zu prüfen und vorzusehen, möglichst bereits bei der Vertragsgestaltung mit dem Nachunternehmer. Als sicherste Form gilt der Nachweis einer vorliegenden Präqualifikation. Dann haftet der Hauptunternehmer nicht für die Urlaubskassenbeiträge, sondern nur noch bei Konstellationen des Missbrauchs sowie für den Mindestlohn. Auftragsbezogen kann auch bei der SOKA-Bau die Ausstellung einer Bescheinigung über die ordnungsmäßige Teilnahme des Nachunternehmers am Sozialkassenverfahren verlangt und dann vorgelegt werden. Die Haftung des GU/HU nach § 14 AEntG wie ein Bürge ist nicht maßgebend für:
Bauunternehmer, die eine Bauleistung für den eigenen – gewerblichen – Eigenbedarf als Bauherr in Auftrag geben (nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Oktober 2019 – 5 AZR 241/18),
private Bauherren (Besteller und Verbraucher) und
direkte Auftragnehmer von Leistungen ohne Weitergabe.
Die GU/HU können dem Haftungsrisiko auch mit Verpflichtungs- bzw. Freistellungserklärungen der Nachunternehmer begegnen. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) hat Muster-Formulare als Formulare für SF-Bau (FSB) für die Vertragsgestaltung der GU/HU mit NU erarbeitet und herausgegeben, zuletzt zum Stand: Jahr 2019.
Das Vertragsformular "FSB 2019-3: Verhandlungsprotokoll/ Nachunternehmervertrag (Nachunternehmersitz Inland)" sieht unter Tz. 14 – Arbeitnehmereinsatz – Verpflichtungserklärungen des Nachunternehmers vor zur:
Zahlung des tariflichen bzw. gesetzlichen Mindestlohns und der zu leistenden Sozial- und Unfallversicherungsbeiträge sowie des Urlaubskassenbeitrags und
Gestaltung der Lohnunterlagen beim NU mit eindeutiger Zuordnung der Arbeitnehmer, der Arbeitsentgelte und abgeführten Beiträge.
Diese Garantiehaftung des Hauptunternehmers wurde höchstrichterlich auch als Europa-rechtskonform und mit dem Grundgesetz vereinbar entschieden.