Bautarifverträge sind Verträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, die Arbeitsbedingungen, Löhne und Gehälter sowie Rechte und Pflichten der Beschäftigten in der Bauindustrie regeln.
Für wen gelten die Bautarifverträge?
Arbeits- und Entlohnungsbedingungen werden in der Bauwirtschaft zu einem großen Teil tarifvertraglich geregelt für:
technische und kaufmännische Angestellte, einschließlich Poliere und Schachtmeister im Bauhauptgewerbe, analog für Beschäftigte im Bauhandwerk bzw. in den meisten Bauleistungen erbringenden Gewerben des Ausbaus, des Garten- und Landschaftsbaus sowie in Betrieben der Baustoffindustrie.
Wer vereinbart die Bautarifverträge?
Tarifvertragsparteien sind für das Bauhauptgewerbe und die meisten Gewerbe im Ausbau: - auf der einen Seite die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und
- auf der anderen Seite Arbeitgeberverbände, so beispielsweise:
der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) für das Bauhauptgewerbe. weitere spezielle Baugewerbe:
Für die Beschäftigten in der Baustoffindustrie werden zwischen den betreffenden Verbänden der Unternehmerseite und der IG Bau ebenfalls eigenständig Rahmen- und Lohntarifverträge abgeschlossen, beispielsweise für Beschäftigte des Verbandes:
- der Sand-, Kies-, Mörtel- und Transportbetonindustrie,
- der Steine- und Erdenindustrie in Ländern wie in Rheinland-Pfalz oder Bayern,
- der Kalksandsteinindustrie,
- der Zement- und Dämmstoffindustrie oder
- der Naturstein- und Naturwerksteinindustrie Nord.
Drei Gruppen von Bautarifverträgen
Bautarifverträge werden in drei verschiedene Gruppen unterteilt, die sich hauptsächlich nach ihrem Inhalt und dem Geltungsbereich unterscheiden:
1. Rahmentarifverträge
In den Rahmen- und Entgelttarifverträgen werden jeweils räumliche, betriebliche und persönliche Geltungsbereiche bestimmt. Das gilt gleichermaßen auch für die eigenständigen Rahmentarifverträge sowie auch Entgelttarifverträge in speziellen Gewerben des Ausbaus, des GaLaBaus und in der Baustoffindustrie. 2. Entgelttarifverträge
Beispielsweise für das Bauhauptgewerbe:
- Entgelttarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer, für die Angestellten und Poliere sowie für Ausbildungsvergütungen, jeweils differenziert nach den Tarifgebieten Deutschland-West, Ost und Berlin jeweils vom 14. Juni 2024 mit der Laufzeit bis 31. März 2027,
- Aufnahme der Lohngruppen 1 (Werker) und 2 (Fachwerker) in den TV-Lohn vom 14. Juni 2024 als Ablösung des früheren Tarifvertrags zum branchenbezogenen Mindestlohn 1 und 2,
- teils noch regionale Verträge z. B. in Bayern für Angestellte,
- Firmentarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer im Tarifgebiet-West für vom Tarif abweichende Löhne,
- Bezirkslohntarifverträge (Lohntabellen) für Sonderlohngruppen oder Sonderlohngebiete,
- branchenbezogene Tarifverträge zum Mindestlohn in speziellen Baugewerben wie im Dachdeckerhandwerk, Gerüstbaugewerbe, Maler- und Lackiererhandwerk u. a. oder
- Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe (West).
Entgelttarifverträge können noch in weiteren Formen als Firmentarifverträge, unternehmensbezogene Haustarifverträge und ggf. Bezirkslohntarifverträge mit spezifischen Lohntabellen für Sondergebiete vereinbart werden. Oft sind dafür besondere Wettbewerbssituationen und Standortsicherungen maßgebend. 3. Sozialkassen- und Verfahrenstarifverträge
Im Rahmen des Sozialkassenverfahrens werden neben der SOKA-Bau für das Bauhauptgewerbe auch eigenständige Sozialkassen für Gewerbe wie die Maler-Kasse, SOKA-Dachdeckerhandwerk u. a. geführt. Bautarifverträge werden regelmäßig neu verhandelt, um den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen gerecht zu werden.
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Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen
Die Allgemeinverbindlichkeit leitet sich aus § 5 – Allgemeinverbindlichkeit – Abs. 1 und 1a im Tarifvertragsgesetz (TVG) ab.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Tarifausschusses auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für „allgemeinverbindlich“ erklären. Dies kann analog auch für eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit erfolgen, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung regelt.
Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung (abgekürzt allgemein mit AVE) kann auch erfolgen, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten ist. Dann gelten die betreffenden Tarifverträge auch unabhängig davon, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Mitglied einer Vertragspartei sind, z. B. zutreffend für den Bundesrahmentarifvertrag (BRTV-Baugewerbe) für das Bauhauptgewerbe. Mit dem Instrument der Allgemeinverbindlichkeit ist verantwortungsbewusst umzugehen. Sie liegt oft auch im öffentlichen Interesse, wenn:
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegend von Bedeutung ist oder
die Absicherung der Wirksamkeit der tariflichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlichkeit verlangt.
Zum gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien ist noch vor der Entscheidung einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung den Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung und / oder schriftlichen Stellungnahme zu geben. Betroffene können sein die interessierte Gewerkschaft, Arbeitgeberverbände und oberste Arbeitsbehörden der Länder.
Nach der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erfolgt die Bekanntgabe im Bundesanzeiger. Tarifverträge können auch durch eine Rechtsverordnung, beispielsweise des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) zum jeweiligen Branchen-Mindestlohn in verschiedenen Baugewerben als Mindestlohn eine allgemeinverbindliche Wirkung erlangen. Mit der AVE eines Tarifvertrags ist dieser in seinem Geltungsbereich auch für die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber verbindlich anzuwenden und selbst dann einzuhalten, wenn der Arbeitgeber ggf. nach § 3 TVG an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist. Sie gelten dann auch für sogenannte „Tarifaußenseiter“.
Welche Tarifverträge gelten als allgemeinverbindlich, welche nicht?
Als Tarifverträge mit AVE gelten für das Bauhauptgewerbe:
- der BRTV-Baugewerbe für gewerbliche Arbeitnehmer,
- der Tarifvertrag über die Berufsausbildung im Baugewerbe (BBTV),
- Tarifvertrag über die zusätzliche Altersversorgung im Baugewerbe (TZA Bau) und
- Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).
Tarifverträge zum branchenbezogenen Mindestlohn in verschiedenen Baugewerben sind ohne Einschränkungen allgemeinverbindlich als Rechtsverordnungen nach dem AEntG. Als nicht allgemeinverbindliche Bautarifverträge gelten im Bauhauptgewerbe:
der Rahmentarifvertrag für Leistungslohn im Baugewerbe (RTV-LeiLo).
Ein Beitrag von Prof. Dr. Siegmar Kloß.