Welche Grundlagen gelten?
Grundlagen und Vorschriften für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe liefert der "Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV vom 28. September 2018 und letzter Fassung vom 10. November 2022)“. Er wurde von den Tarifvertragsparteien (Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und der IG BAU) abgeschlossen.
Der betriebliche Geltungsbereich des VTV umfasst die Betriebe des Baugewerbes, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt werden. In Anlehnung an den Einzugsbereich des "Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV-Baugewerbe)" betrifft es Betriebe, die - nach ihrer Art, Zweckbestimmung und betrieblichen Einrichtung gewerbliche Bauten aller Art oder gewerblich sonstige bauliche Leistungen herstellen.
- bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Nicht erfasst sind Gewerbe wie das Dachdecker-, Gerüstbau-, Maler- und Lackiererhandwerk, für die eigenständige Tarifverträge abgeschlossen werden und auch spezielle Sozialkassenbestimmungen maßgebend sind.
Wem hilft das Sozialkassenverfahren?
Die Sozialkassen übernehmen Aufgaben der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer.
- Auszahlung der Urlaubsvergütung der gewerblichen Arbeitnehmer
- Erstattung von Ausbildungskosten für Auszubildende
- Alters- und Zusatzversorgung als soziale Sicherheit im Alter
Sozialkassenverfahren: Die Sozialkassen übernehmen Aufgaben der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer.
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Welche Sozialkassen gibt es?
Das Sozialkassenverfahren erfolgt von dafür gegründeten Sozialkassen der Bauwirtschaft als gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien. Für Bauunternehmen im Geltungsbereich BRTV-Baugewerbe und vorwiegend des Bauhauptgewerbes ist die SOKA-Bau mit Sitz in Wiesbaden zuständig. Sie bietet mit ihren eigenständigen Bereichen – ULAK-Bau und ZVK-Bau – folgende Leistungen: - die Sicherung von Urlaubsansprüchen (Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld) für die gewerblichen Arbeitnehmer sowie Finanzierung der Berufsausbildung der Auszubildenden über die ULAK-Bau (Urlaubs- und Lohnausgleichskasse).
- zur Altersversorgung mit der Tarifrente-Bau und Rentenbeihilfen sowie überbetriebliche Altersversorgung mit der Tariflichen Zusatzrente (TZR) durch die Zusatzversorgungskasse (ZVK-Bau).
Leistungen zum Urlaubsverfahren werden anstelle von der ULAK analog auch noch von regionalen Sozialkassen erbracht für Bauunternehmen mit Sitz:
- im Freistaat Bayern durch die "Gemeinnützige Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes (UKB)"
- im Land Berlin durch die "Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SOKA-Bau Berlin)"
Neben den angeführten Sozialkassen sichert das Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz (SokaSiG II vom 16. Mai 2017) auch die Rechtsgrundlage für weitere Gewerbe wie für das Maler- und Lackiererhandwerk, das Dach-, Gerüstbauer-, Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk, den Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (GaLaBau), Betonsteingewerbe, die Steine- und Erden-Industrie nebst Betonsteinhandwerk und Ziegelindustrie. Diese Aspekte sind im VTV geregelt
Im VTV zum Sozialkassenverfahren werden u. a. geregelt:
- die Zuständigkeit für den Einzug von den Bauunternehmen nach den Beitragssätzen der SOKA-Bau durch ULAK-Bau sowie von Nebenforderungen der ZVK-Bau in § 3 VTV.
- elektronische Meldepflichten der Bauunternehmen als Arbeitgeber und Aufbereitung der Stammdaten zu den Arbeitnehmern nach den Anforderungen in §§ 4 bis 11 VTV, zudem hat neu nach § 5 Abs. 5 bei Änderungen oder Ergänzungen gemeldeter Daten eine Aktualisierung zu erfolgen.
- Regelungen zur Erstattung der Urlaubsvergütung in der Bauwirtschaft, Urlaubsabgeltung und evtl. Entschädigungen in §§ 12 bis 14 VTV, mit speziellem Verweis darauf, dass für Urlaubsansprüche von Auszubildenden, die danach als gewerbliche Arbeitnehmer tätig werden, künftig das Urlaubsrecht nach § 8 BRTV gilt.
- Anpassungen in § 13, Abs. 1, wonach Urlaubsabgeltungsansprüche des Erblassers auf den Erben übergehen, was tariflich geregelt wird.
- von den Bauunternehmen zu leistende Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer sowie zum Bruttolohn als Berechnungsbasis in §§ 15 und 16 VTV sowie von Beiträgen für die Zusatzversorgung der Angestellten und Auszubildenden.
- eingefügt wurde in § 15 Abs. 4, wonach die Einzugsstelle bei fehlender Kenntnis zur angefallenen Bruttolohnsumme eine Schätzung vornehmen kann, ebenfalls auch bei Unkenntnis der Anzahl der im jeweiligen Abrechnungszeitraum beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und deren geleisteter Arbeitsstunden, und zwar im Sinne einer verbesserten Erhebung von Sozialkassenbeiträgen bei Schwarzarbeit.
- Abführung nach § 17 eines Betrags von 18 € monatlich für jeden laut Arbeitsvertrag beschäftigten Angestellten (nicht jedoch für geringfügig Beschäftigte) zur Finanzierung der Berufsausbildung in der Bauwirtschaft.
- oder für jeden Arbeitstag ein Zwanzigstel, wenn das Arbeitsverhältnis nicht am Ersten des Monats beginnt bzw. am Letzten eines Monats endet, wobei keine Beitragspflicht während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses besteht, als Beitrag zur Finanzierung der Berufsausbildung.
- Vorschriften in §§ 18 und 19 VTV zur Zahlung der Beiträge durch die Bauunternehmen neu bis spätestens zum 28. des folgenden Monats bargeldlos an die Einzugsstelle sowie zum Spitzenausgleichsverfahren der SOKA, zugleich auch maßgebend für den Beitrag nach § 17.
- mögliche Saldierung der Beitrags- und Leistungsansprüche nach § 18 Abs. 2 VTV gegenüber vorher, wonach das Beitragssoll zinsbelastet bis zum vollständigen Ausgleich von Ansprüchen war, was künftig zu einer geringeren Zinsbelastung für Bauunternehmen führen wird.
- nach § 19 Abs. 1 wird das 6-monatige Ausgleichsintervall des Spitzenausgleichsverfahrens die Komplexität der Verfahren bei der ULAK reduzieren, weil es gegenüber dem 4-monatigen Ausgleichsintervall nur sehr wenig genutzt wurde.
- zum Anspruch der zuständigen ULAK auf Verzugszinsen für das Jahr nach § 20 VTV in Höhe von 0,9 % der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzugs, wobei § 389 BGB keine Anwendung findet.
- Verjährung der Ansprüche der ULAK nach § 21 VTV gegenüber den Bauunternehmen, wenn sie nicht innerhalb von drei Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind.
- erfolgten Leistungen durch die ULAK-Bau gegenüber Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgrund unwahrer Angaben, so können von der ULAK die gewährten Leistungen nach § 25 VTV zurückgefordert und für den dazwischenliegenden Zeitraum Zinsen verlangt werden.
Wie funktioniert das Sozialkassenverfahren?
Die Bauunternehmen sind verpflichtet, monatlich vorbestimmte Beiträge als Umlagen an die Sozialkassen zu leisten, aus denen danach die Sozialleistungen für die Arbeitnehmer und die Berufsausbildung finanziert und den Bauunternehmen wiedererstattet werden. Von der Beitragspflicht befreit sind Auszubildende.
Der Berechnung der Beiträge von den Unternehmen im Sozialkassenverfahren wird die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme aller gewerblichen Arbeitnehmer zugrunde gelegt. Angeführt sind die Beitragssätze unter SOKA-Bau.
Die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse der Angestellten einschließlich Poliere und Auszubildenden wird nach mit bemessenen Monatsbeiträgen („Kopfbeträgen“) bestimmt, angeführt unter ZVK-Bau.
Der Beitragseinzug für die Gesamtbeträge erfolgt durch die zuständige ULAK. Was ist das Spitzenausgleichsverfahren?
Speziell § 19 im VTV trifft Aussagen zum Spitzenausgleichsverfahren. Dieses Verfahren gestattet eine Ausnahme gegenüber der monatlichen Abführung der Beiträge des Abrechnungsmonats (spätestens bis 28. des folgenden Monats) als Umlagen der Bauunternehmen an die ULAK-Bau und die Erstattung der ULAK monatlich durch Banküberweisung an das Bauunternehmen nach § 12 Abs. 1 VTV.
Das Spitzenausgleichsverfahren unterscheidet sich davon dadurch, dass nach diesem die Beitrags- und Erstattungsansprüche für jeweils vier aufeinander folgende Abrechnungszeiträume (Spitzenausgleichsintervalle) saldiert werden.
Für die Ermittlung des Saldos sind nur die Vergütungen zu berücksichtigen, die für das laufende Ausgleichsintervall der ULAK gemeldet wurden. Die Sozialkassen teilen dem Bauunternehmen als Arbeitgeber den ermittelten Saldo nachrichtlich mit, ggf. auch Korrekturmeldungen bei erforderlichen Berichtigungen. Mit dem ausschließlich noch möglichen 4-Monatsintervall wird auch sichergestellt, dass Beiträge und Ansprüche aus Korrekturmeldungen in dem Intervall gebucht werden, in dem sie abgegeben wurden.
Das Bauunternehmen kann bestimmen, ab welchem Zeitpunkt die Teilnahme am Spitzenausgleichsverfahren gewünscht wird und für wie viele Abrechnungszeiträume ein Spitzenausgleichsintervall gebildet werden soll. Voraussetzung ist jedoch, dass das Bauunternehmen zum Verfahren von der Einzugsstelle zugelassen wird.
Das setzt zunächst voraus, dass das Bauunternehmen seine Erklärung für eine Teilnahme abgibt und in den letzten 12 Monaten vor der Erklärung seine Meldungen und Beitragszahlungen nach den Beitragssätzen zur SOKA-Bau vollständig und fristgemäß an die Einzugsstelle erbracht hat, wobei ein Verzug von nur einem Kalendermonat bei Nachkommen der Verpflichtung nach Erinnerung noch zu dulden ist.
Stellt sich ein Saldo aus der Ermittlung der Beitrags- und Erstattungsansprüche zugunsten des Bauunternehmens als Arbeitgeber heraus, so hat die ULAK-Bau als Einzugsstelle den entsprechenden Betrag unverzüglich an das Bauunternehmen zu zahlen. Bei Abführung auch der Winterbeschäftigungs-Umlage über die Einzugsstelle kann ein Saldo zugunsten des Bauunternehmens durch die Einzugsstelle auch bis zur Höhe des Umlagebetrages dem Winterbeschäftigungs-Umlagekonto gutgeschrieben werden.
Errechnet sich ein Saldo zugunsten der ULAK, so ist der entsprechende Betrag spätestens bis zum letzten Tag des auf das Spitzenausgleichsintervall folgenden Monats durch den Arbeitgeber bei der Einzugsstelle einzuzahlen.