Baurecht / BGB

Kündigung des Bauvertrags durch den Auftragnehmer

Der Auftragnehmer kann – im Gegensatz zum Auftraggeber – den Bauvertrag nicht frei und ohne Angabe von Gründen kündigen. Auftragnehmer dürfen nur aus wichtigem Grund kündigen.

Kündigung nach VOB und BGB

Übereinstimmend regeln BGB und VOB, dass bei Kündigung durch den Auftragnehmer (AN) keine Möglichkeit einer freien Kündigung besteht. Der Auftragnehmer darf nur aus wichtigem Grund kündigen. Das Recht zur Kündigung des Bauvertrags aus wichtigem Grund steht dem AN somit unabhängig davon zu, ob es sich um einen BGB- oder VOB-Vertrag handelt.
Den Bauvertrag kündigen kann also:
  • einerseits der Unternehmer als Auftragnehmer als Kündigung zu Bauverträgen nach BGB bei einem Bauvertrag nach BGB und Verbraucherbauvertrag aus wichtigem Grund bspw. nach § 643 BGB wegen fehlender Mitwirkung, § 648a BGB wegen Unzumutbarkeit oder § 650f BGB wegen fehlender Stellung einer Sicherheit sowie
  • andererseits der Auftragnehmer in einem VOB-Vertrag als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund kündigen bspw. nach § 6 Abs. 7 VOB Teil B wegen mehr als 3-monatiger Unterbrechung oder § 9 Abs. 1 VOB Teil B wegen Annahme- oder wegen Zahlungsverzugs.
Eine Kündigung zum Bauvertrag kann sich sowohl auf einzelne Leistungsteile (als Teilkündigung zum Bauvertrag) als auch auf den gesamten Vertrag beziehen.

Kündigungsgründe für den Auftragnehmer

Freie Kündigung

Das Recht zu einer freien Kündigung, also ohne wichtigen Grund, hat nur der Auftraggeber, nicht aber der Auftragnehmer.

Kündigung aus wichtigem Grund

Als Gründe für eine außerordentliche Auftraggeberkündigung des Bauvertrags, d. h. Kündigung aus wichtigem Grund, kommen u. a. infrage:
  • fehlende Mitwirkungshandlung des Auftraggebers, die für die Durchführung der Arbeiten des Auftragnehmers erforderlich ist (§ 642 i. V. m. § 643 BGB),
  • ein Festhalten am Vertrag ist nicht mehr zumutbar (§ 648a BGB), weil z. B.:
    • die Vertrauensgrundlage für die Zusammenarbeit fehlt,
    • der Auftraggeber in wirtschaftliche Not gerät,
    • die Arbeiten unzumutbar lang unterbrochen werden,
  • eine nicht wie in Höhe, Zeitpunkt oder Art geforderte Sicherheit (§ 650f BGB),
  • eine mehr als drei Monate andauernde Unterbrechung der Arbeiten, soweit nicht der Auftragnehmer dafür verantwortlich ist (§ 6 Abs. 7 VOB Teil B) oder
  • fehlende Mitwirkungshandlung des Auftraggebers, ausbleibende Zahlung oder sonstigen Schuldnerverzug (§ 9 Abs. 1 VOB Teil B).
Tipp aus der Praxis

„Die Möglichkeiten der Kündigung eines Bauvertrags sind für einen Auftragnehmer erheblich seltener als für einen Auftraggeber. Das ist bereits darin begründet, dass der Auftragnehmer nicht einfach frei kündigen darf. Doch auch bei außerordentlicher Kündigung kann der Auftragnehmer in der Regel nicht einfach hinwerfen und gehen! Die Kündigung wird in vielen Fällen erst zulässig, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber ohne Erfolg eine angemessene Frist zur Erfüllung des Vertrages gesetzt und die Kündigung angedroht hat. Der Auftragnehmer ist damit zum Festhalten der ungünstigen oder missliebigen Verträge deutlich stärker verpflichtet als der Auftraggeber. Dessen sollte sich der Auftragnehmer vor Vertragsschluss bewusst sein.“
Nur der Auftraggeber hat das Recht auf eine freie Kündigung, der Auftragnehmer hat dies nicht.
Nur der Auftraggeber hat das Recht auf eine freie Kündigung, der Auftragnehmer hat dies nicht. Bild: © f:data GmbH

Formen der Kündigung

Die Kündigung ist grundsätzlich schriftlich nach § 9 Abs. 2 VOB Teil B bzw. zu BGB-Bauverträgen nach § 650h BGB zu erklären. Für die Auftraggeberkündigung gilt dies sowohl für freie als auch außerordentliche Kündigungen. Die Schriftform ist ein Nachweis der Identität des Unterzeichnenden in einer dauerhaften Form. Sie soll Rechtssicherheit und Beweisbarkeit unterstützen. Sie kann auch in elektronischer Form (nach § 126a BGB) erfolgen, allerdings ausschließlich mit qualifizierter elektronischer Signatur! Eine solche fehlt jedoch regelmäßig bei:
  • E-Mail,
  • SMS oder
  • Messenger-Diensten.
Bei Nichteinhaltung der schriftlichen Form bleibt eine Kündigung nach § 125 BGB unwirksam.
Tipp aus der Praxis

„Aufgrund des Schriftformerfordernisses führt an der postalischen Zustellung – vermutlich per Bote – oder persönlicher Übergabe mit Zeugen eines Kündigungsschreibens kein Weg vorbei. Andere Formen wie Fax, E-Mail, SMS, Messenger o. ä. sollten nur ergänzend, nicht aber ausschließlich gewählt werden. Wichtig ist – unabhängig vom Medium – den Zugang der Kündigung nachweisbar sicherzustellen. Dieser Nachweis ist im Zweifelsfall durch den Kündigenden zu erbringen.“
Die Kündigung ist vom Auftragnehmer selbst oder einem bevollmächtigten Vertreter vorzunehmen. Als Empfänger muss der Auftraggeber oder ebenfalls ein von ihm bevollmächtigter Vertreter angegeben werden.

Kündigung von Teilen der Leistung

Beiden Parteien steht nach § 648 Abs. 2 BGB das Recht zu, nach Abschluss des Bauvertrags auch Teile der vereinbarten Leistungen zu kündigen, soweit sie noch nicht ausgeführt wurden. Für eine solche Teilkündigung zum Bauvertrag aus wichtigem Grund bedarf es eines besonderen Anlasses, da nach dieser Regelung die Fortführung des Vertrages unzumutbar sein muss.
Tipp aus der Praxis

„Dieser Fall kommt in der Praxis selten vor, da es ja bedeutet, dass nur die Fortführung einer Teilleistung unzumutbar sein soll, während die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für andere Leistungen weiterhin bestehen soll. Eine solche Konstellation ist aber vorstellbar, wenn bspw. Uneinigkeit darüber besteht, in welcher Qualität eine Leistung ausgeführt werden soll und die Parteien keine einvernehmliche Lösung erreichen. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine solche Teilkündigung des Auftragnehmers nicht bereits zu einer Befriedung der Parteien führen wird.“

Abrechnung bei Kündigung

Bei freier Kündigung

Sowohl bei einem VOB- als auch bei einem BGB-Bauvertrag steht dem Bauunternehmer als Auftragnehmer im Falle der freien Kündigung die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, weiterhin auch was er anderweitig erwirbt und was er böswillig zu erwerben unterlässt. Für die ersparten Aufwendungen sind nach dem Urteil des BGH vom 16. November 2016 (Az.: VII ZR 314 / 13) die „tatsächlichen“ Kosten, nicht die „kalkulierten“ Kosten maßgebend.
Der Auftragnehmer kann auch beweisen, dass die tatsächlichen Aufwendungen höher sind und weniger erspart wurde, praktisch die vorherige Kalkulation nicht mehr zutreffend ist. Eine Kündigung des Bauvertrags zu wesentlichen Leistungsteilen als Wegfall von Leistungen im Sinne einer Teilkündigung zum Bauvertrag wird zwangsläufig auch mit „verlorenem Aufwand“ und Gewinnausfall aufgrund einer Unterdeckung kalkulierter Gemeinkosten verbunden sein. Ein Beispiel dazu finden sie hier.
Bei einem BGB-Bauvertrag ist nach § 648 BGB noch zu vermuten, dass dem Bauunternehmer zumindest 5 % von der entfallenden Vergütung als entgangener Gewinn von dem noch nicht erbrachten Leistungsteil zustehen.

Bei Kündigung aus wichtigem Grund

Im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund hingegen steht dem Auftragnehmer nur die Vergütung der bis dahin erbrachten Leistung zu. Der Auftraggeber darf jedoch zum Abzug bringen, was er an Mehrkosten für die Ersatzvornahme für die Fertigstellung der Leistung hatte, sowie ggf. Schadensersatzansprüche. Dabei kommt es nicht selten vor, dass die Aufrechnung des Auftraggebers zu höheren Beträgen führt als die Abrechnung des Auftragnehmers. Für den Auftragnehmer bedeutet das dann ein Minus-Geschäft.
Tipp aus der Praxis

„Die Feststellung der erbrachten Leistung ist in der Praxis wesentlich streitbelasteter als die Formulierungen in VOB und BGB dies vermuten lassen.
Beim Einheitspreisvertrag beschränken sich Streitigkeiten meist auf die korrekte Mengenermittlung oder den Umfang ersparter Aufwendungen.
Beim Pauschalpreis hingegen liegen regelmäßig keine vor, anhand derer eine Bewertung von Teilleistungen hinsichtlich des Umfangs und der Vergütung vorgenommen werden könnten. So liegen dann weder Mengenvordersätze noch Einheitspreise vor. Die Ermittlung und preisliche Bewertung des erbrachten Anteils sind daher häufig streitig. Tatsächlich wird man meist um eine nachträgliche Aufgliederung in Einzelleistungen und Einheitspreise herumkommen.“
Peter Wotschke
Ein Artikel von
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