Der Auftraggeber (AG) kann jederzeit bis zum Abschluss der vereinbarten Bauleistung frei ohne Angabe von Gründen oder aus wichtigem Grund den Bauvertrag kündigen.
Kündigung nach VOB und BGB
Übereinstimmend regeln BGB und VOB, dass bei Kündigung durch den Auftraggeber zwischen freier Kündigung und Kündigung aus wichtigem Grund zu unterscheiden ist. Das Recht zur Kündigung des Bauvertrags steht dem Auftraggeber somit unabhängig davon zu, ob es sich um einen BGB- oder VOB-Vertrag handelt. Das Recht zur Kündigung des Bauvertrags steht zu:
Eine Kündigung zum Bauvertrag kann sich sowohl auf einzelne Leistungsteile (als Teilkündigung zum Bauvertrag) als auch auf den gesamten Vertrag beziehen. Kündigungsgründe für den Auftraggeber
Freie Kündigung
Bei der freien Kündigung muss kein wichtiger Grund vorliegen. Sie ist auch dann möglich, wenn der Auftraggeber selbst den Grund dafür liefert oder evtl. selbst Pflichten gegenüber dem Auftragnehmer nicht erfüllt hat. Anlass zur freien Kündigung kann z. B. sein, dass der Auftraggeber aus persönlichen Gründen nicht an der Zusammenarbeit festhalten möchte. Oder er möchte Leistungen aus finanziellen Gründen zunächst nicht oder gar nicht mehr ausführen lassen. Wichtig dabei ist, dass nicht der Auftragnehmer Anlass zur Kündigung gegeben hat.
Kündigung aus wichtigem Grund
Wichtige Gründe, die vom Auftragnehmer hervorgerufen wurden, können Anlass für eine Kündigung durch den Auftraggeber sein. Zum Beispiel kann beim Auftragnehmer eine drohende Insolvenz vorliegen, so nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB Teil B beispielsweise bei: Zahlungseinstellung des Auftragnehmers,
Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers,
Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder
Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse an Vermögen des Auftragnehmers.
Diese Gründe sind jeweils einzeln für sich zu betrachten und ggf. heranzuziehen. Der Auftraggeber kann die Kündigung auch erst vorsehen, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird und beispielsweise ein anderer Gläubiger dieses vorher beantragt hat.
Auch eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung kann als Kündigungsgrund durch den Auftraggeber bei einem VOB-Vertrag laut § 8 Abs. 4 VOB/B infrage kommen, jedoch mit einer Fristsetzung von maximal 12 Werktagen (= 2 Wochen). Diese Maßgabe wurde im Abs. 4 zum § 8 in der VOB/B an die Anforderungen der geltenden Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit der Aussage angepasst, dass der Auftraggeber auch einen Bauvertrag, der im Anwendungsbereich des GWB geschlossen wurde, kündigen kann, und zwar: „Die Differenzierung nach freier Kündigung und Kündigung aus wichtigem Grund hat schwerwiegende Folgen, wenn es um die Abrechnung der gekündigten Leistung geht! Bei freier Kündigung steht dem Auftragnehmer die volle Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Dadurch entsteht dem Auftragnehmer kein Nachteil, er hat ja nichts falsch gemacht. Hat er jedoch einen Anlass für eine Kündigung aus wichtigem Grund geliefert, steht ihm lediglich die Vergütung für die erbrachte Leistung zu – abzüglich Mehrkosten für die Ersatzvornahme und ggf. Schadensersatz. In diesem Fall kann das erhebliche Nachteile bedeuten. Meist kündigt der Auftraggeber in der Annahme, es lägen wichtige Gründe vor, während der Auftragnehmer diese bestreitet. Darüber muss dann ein Gericht entscheiden. Daher ist dringend anzuraten, nicht voreilig zu kündigen, sondern kritisch zu prüfen, ob die Gründe wirklich schwer genug wiegen.“
Kündigung in Nachunternehmerkette
Nach § 8 Abs. 5 in der VOB Teil B leitet sich auch für den Auftragnehmer ein Kündigungsrecht ab, wenn er Leistungen bereits ganz oder teilweise an Nachunternehmer weitervergeben hat sowie auch weiterfolgend in der „Nachunternehmerkette“. Auftragnehmer und Nachunternehmer haben nach § 4 Abs. 8 Nr. 2 die VOB Teil B vereinbart bzw. dem Vertrag zugrunde zu legen. Daher besteht dann dieselbe Kündigungsmöglichkeit in der gesamten Nachunternehmerkette. Dies schützt den jeweiligen Auftragnehmer vor der Verpflichtung der vollen Vergütung der Vertragsleistung. Mit den erweiterten Gründen für eine Auftraggeberkündigung bleiben die Regelungen zur Abrechnung und zu etwaigen Schadensersatzansprüchen der Vertragsparteien unberührt.
Für die Rechtsfolgen wie Ersatzvornahme, Erstattung von Mehrkosten und Schadenersatz sowie weitere Nutzung von Einrichtungen für den Weiterbau gelten analog die Regelungen wie bei jeder Kündigung. Formen der Kündigung
Die Kündigung ist grundsätzlich schriftlich nach § 8 Abs. 6 VOB Teil B bzw. zu BGB-Bauverträgen nach § 650h BGB zu erklären. Für die Auftraggeberkündigung gilt dies sowohl für freie als auch außerordentliche Kündigungen. Die Schriftform soll Rechtssicherheit und Beweisbarkeit unterstützen. Sie kann auch in elektronischer Form (nach § 126a BGB) erfolgen, jedoch nur mit qualifizierter elektronischer Signatur! Eine solche fehlt jedoch regelmäßig bei: - E-Mail,
- SMS sowie
- Messenger o. ä. in einfacher Textform.
Bei Nichteinhaltung der schriftlichen Form bliebe eine Kündigung nach § 125 BGB unwirksam.
„Aufgrund des Schriftformerfordernisses führt an der postalischen Zustellung – vermutlich per Bote – oder persönlicher Übergabe mit Zeugen eines Kündigungsschreibens kein Weg vorbei. Andere Formen wie Fax, E-Mail, SMS, Messenger o. ä. sollten nur ergänzend, nicht aber ausschließlich gewählt werden. Wichtig ist – unabhängig vom Medium – den Zugang der Kündigung nachweisbar sicherzustellen. Dieser Nachweis ist im Zweifelsfall durch den Kündigenden zu erbringen.“ Die Kündigung ist vom Auftraggeber selbst oder einem bevollmächtigten Vertreter vorzunehmen. Als Empfänger muss der Auftragnehmer oder ebenfalls ein von ihm bevollmächtigter Vertreter angegeben werden.
Ein Auftraggeber kann einen Bauvertrag wirksam nur schriftlich oder elektronisch mit qualifizierter elektronischer Signatur kündigen – also in der Regel nicht via E-Mail, SMS oder Messenger.
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Kündigung von öffentlichen Bauaufträgen
für Hochbaumaßnahmen im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017) Stand 2019 im Abschnitt 2 mit dem Formblatt 463 und 465 zur Androhung der Vertragskündigung als Rechtsfolge bei Schlechtleistungen sowie für Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau nach HVA B-StB, Kündigung durch den Auftraggeber.
Zeitpunkt der Kündigung
Einer Kündigung sollte ggf. zunächst eine Androhung mit Angabe einer bestimmten Nachfrist (frühestens am Tag nach Ablauf der Nachfrist) vorausgehen, wenn sich die Kündigung aus einer Schlechtleistung des Auftragnehmers abzeichnet. Die Kündigung sollte dann erst nach fristlosem Ablauf der Kündigungsandrohung zeitnah erfolgen. Die möglichen Gestaltungen für öffentliche Aufträge sind in o. a. Vordrucken 463 und 465 aus VHB-Bund dargestellt. Das Recht der Kündigung ist zeitlich begrenzt auf den Zeitpunkt der mängelfreien Abnahme. Eine Kündigung nach Abnahme ist daher unwirksam. Kündigung von Teilen der Leistung
Meistens ist das in der Praxis der Fall, wenn vom Auftraggeber selbst bereits ausbedungene Leistungen übernommen werden (vgl. § 2 Abs. 4 VOB Teil B). Bei der Teilkündigung einer Leistungsposition, gleichlautend auch bei einem Verzicht der Ausführung oder einer Anordnung der Nichtausführung, ist die Leistungsmenge dann Null. Gesprochen wird dann von einer Null-Position. Abrechnung bei Kündigung
Sowohl bei einem VOB- als auch bei einem BGB-Bauvertrag steht dem Bauunternehmer als Auftragnehmer im Falle der freien Kündigung die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, weiterhin auch was er anderweitig erwirbt und was er böswillig zu erwerben unterlässt. Für die ersparten Aufwendungen sind nach dem Urteil des BGH vom 16. November 2016 (Az.: VII ZR 314 / 13) die „tatsächlichen“ Kosten, nicht die „kalkulierten“ Kosten maßgebend. Der Auftragnehmer kann auch beweisen, dass die tatsächlichen Aufwendungen höher sind und weniger erspart wurde, praktisch die vorherige Kalkulation nicht mehr zutreffend ist. Eine Kündigung des Bauvertrags zu wesentlichen Leistungsteilen als Wegfall von Leistungen im Sinne einer Teilkündigung zum Bauvertrag wird zwangsläufig auch mit „verlorenem Aufwand“ und Gewinnausfall aufgrund einer Unterdeckung kalkulierter Gemeinkosten verbunden sein. Ein Beispiel dazu finden sie hier. Bei einem BGB-Bauvertrag ist nach § 648 BGB noch zu vermuten, dass dem Bauunternehmer zumindest 5 % von der entfallenden Vergütung als entgangener Gewinn von dem noch nicht erbrachten Leistungsteil zustehen. Im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund hingegen steht dem Auftragnehmer nur die Vergütung der bis dahin erbrachten Leistung zu. Der Auftraggeber darf jedoch zum Abzug bringen, was er an Mehrkosten für die Ersatzvornahme für die Fertigstellung der Leistung hatte, sowie ggf. Schadensersatzansprüche. Dabei kommt es nicht selten vor, dass die Aufrechnung des Auftraggebers zu höheren Beträgen führt als die Abrechnung des Auftragnehmers. Für den Auftragnehmer bedeutet das dann ein Minus-Geschäft.
„Die Feststellung der erbrachten Leistung ist in der Praxis wesentlich streitbelasteter als die Formulierungen in VOB und BGB dies vermuten lassen. Beim Pauschalpreis hingegen liegen regelmäßig keine Leistungsverzeichnisse vor, anhand derer eine Bewertung von Teilleistungen hinsichtlich des Umfangs und der Vergütung vorgenommen werden könnten. So liegen dann weder Mengenvordersätze noch Einheitspreise vor. Die Ermittlung und preisliche Bewertung des erbrachten Anteils sind daher häufig streitig. Tatsächlich wird man meist um eine nachträgliche Aufgliederung in Einzelleistungen und Einheitspreise herumkommen.“