Baurecht / BGB

Kündigung Bauvertrag durch den Auftraggeber

Der Auftraggeber (AG) kann bis zur Vollendung des Werks bzw. der vereinbarten Bauleistung jederzeit frei ohne Angabe von Gründen oder aus wichtigem Grund den Bauvertrag kündigen.
Kündigung Bauvertrag durch den Auftraggeber
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Rechtliche Grundlagen

Das Recht zur Kündigung des Bauvertrags steht zu:
Eine Kündigung zum Bauvertrag kann sich sowohl auf einzelne Leistungsteile (als Teilkündigung zum Bauvertrag) als auch auf den gesamten Vertrag beziehen.

Kündigungsgründe für den Auftraggeber

Bei der freien Kündigung muss kein wichtiger Grund vorliegen. Sie ist auch dann möglich, wenn der Auftraggeber selbst den Grund dafür liefert oder evtl. selbst Pflichten gegenüber dem Auftragnehmer nicht erfüllt hat.
Andererseits können wichtige Gründe, die vom Auftragnehmer hervorgerufen wurden, Anlass für eine Kündigung durch den Auftraggeber sein. Zum Auftragnehmer kann eine drohende Insolvenz vorliegen, so nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B beispielsweise bei:
  • Zahlungseinstellung des Auftragnehmers,
  • Beantragung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers,
  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder
  • Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse an Vermögen des Auftragnehmers.
Die angeführten Gründe sind für sich jeweils selbstständig zu betrachten und ggf. heranzuziehen. Der Auftraggeber kann die Kündigung auch erst vorsehen, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird und beispielsweise ein anderer Gläubiger dieses vorher beantragt hat.
Als Gründe für eine außerordentliche Auftraggeberkündigung des Bauvertrags, d. h. Kündigung aus wichtigem Grund, kommen infrage:
  • mangelhafte oder vertragswidrig ausgeführte Leistungen (§ 4 Abs. 7 VOB/B) während der Vertragsdurchführung bis vor der Abnahme,
  • verzögerter Baubeginn und Leistungsverzug (§ 5 Abs. 5 VOB/B),
  • unzureichender Einsatz eigener Kapazitäten bei der Ausführung,
  • Nichtbekanntgabe des vorgesehenen Einsatzes von Nachunternehmern und Durchführung von Leistungen der Nachunternehmer ohne Zustimmung zum Nachunternehmereinsatz (§ 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B).
Auch eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung kann als Kündigungsgrund durch den Auftraggeber bei einem VOB-Vertrag nach § 8 Abs. 4 VOB/B infrage kommen, jedoch mit einer Fristsetzung von maximal 12 Werktagen (= 2 Wochen). Diese Maßgabe wurde im Abs. 4 zum § 8 in der VOB/B an die Anforderungen der geltenden Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) angepasst mit der Aussage, dass der Auftraggeber auch einen Bauvertrag, der im Anwendungsbereich des GWB geschlossen wurde, kündigen kann, und zwar:
  • "wenn der Auftragnehmer wegen eines zwingenden Ausschlussgrundes zum Zeitpunkt des Zuschlags nicht hätte beauftragt werden dürfen, wobei sich die Kündigung auch nur auf einen in sich geschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränken kann,
  • bei wesentlicher Änderung des Vertrages oder bei Feststellung einer schweren Verletzung der Verträge über die Europäische Union und die Arbeitsweise der EU durch den Europäischen Gerichtshof".

Kündigung in Nachunternehmerkette

Nach § 8 Abs. 5 in der VOB/B leitet sich auch für den Auftragnehmer ein Kündigungsrecht ab, wenn er Leistungen bereits ganz oder teilweise an Nachunternehmer weitervergeben hat sowie auch weiterfolgend in der "Nachunternehmerkette". Wurde auch zwischen Auftragnehmer und Nachunternehmer die VOB/B vereinbart bzw. dem Vertrag zugrunde gelegt, besteht dann dieselbe Kündigungsmöglichkeit in der gesamten Nachunternehmerkette. Von Vorteil ist, dass dann der jeweilige Auftragnehmer nicht mit der Rechtsfolge der vollen Vergütung der Vertragsleistung verpflichtet ist.
Mit den erweiterten Gründen für eine Auftraggeberkündigung bleiben die Regelungen zur Abrechnung und zu etwaigen Schadenersatzansprüchen der Vertragsparteien unberührt.
Für die Rechtsfolgen wie Ersatzvornahme, Erstattung von Mehrkosten und Schadenersatz sowie weitere Nutzung von Einrichtungen für den Weiterbau gelten analog die Regelungen wie bei jeder Kündigung.

Form der Kündigung

Die Kündigung ist grundsätzlich schriftlich einerseits nach § 8 Abs. 6 VOB/B sowie zu BGB-Bauverträgen nach § 650h BGB zu erklären. Für die Auftraggeberkündigung gilt dies sowohl für freie als auch außerordentliche Kündigungen. Die Schriftform soll Rechtsicherheit und Beweisbarkeit unterstützen. Sie kann auch in elektronischer Form (nach § 126a BGB) erfolgen, jedoch nicht durch E-Mail in einfacher Textform. Bei Nichteinhaltung der schriftlichen Form bliebe eine Kündigung nach § 125 BGB unwirksam.
Weiterhin wird darauf verwiesen, eine Kündigung evtl. mit Fax vorab unter Aufbewahrung des Sendeprotokolls und einer Durchschrift des jeweiligen Schreibens vorzunehmen und zusätzlich am gleichen Tag postalisch mit Einschreiben-Rückschein zu versenden.
Die Kündigung ist vom Auftraggeber selbst oder einem bevollmächtigten Vertreter vorzunehmen. Als Empfänger muss der Auftragnehmer oder ebenfalls ein von ihm bevollmächtigter Vertreter angegeben werden.

Anforderungen zu öffentlichen Bauaufträgen in Vergabehandbüchern

Für öffentliche Bauaufträge werden in den Vergabehandbüchern spezielle Aussagen, Formblätter und Mustervordrucke für die Kündigung durch den Auftraggeber aufgeführt und empfohlen, so:
  • für Hochbaumaßnahmen im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017) Stand 2019 im Abschnitt 2 mit dem Formblatt 463 und 465 zur Androhung der Vertragskündigung als Rechtsfolge bei Schlechtleistungen sowie
  • für Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau nach HVA B-StB (Ausgabe April 2016) im Teil 3 unter Tz. 3.12 – Kündigung durch den Auftraggeber –.

Zeitnahe Kündigung

Einer Kündigung sollte ggf. zunächst eine Androhung mit Angabe einer bestimmten Nachfrist (frühestens am Tag nach Ablauf der Nachfrist) vorausgehen, wenn sich die Kündigung aus einer Schlechtleistung des Auftragnehmers abzeichnet. Die Kündigung sollte dann erst nach fristlosem Ablauf der Kündigungsandrohung erfolgen. Sie ist zeitnah vorzunehmen. Die möglichen Gestaltungen für öffentliche Aufträge sind in o. a. Vordrucken 463 und 465 aus VHB-Bund dargestellt.
Das Recht der Kündigung ist zeitlich begrenzt auf den Zeitpunkt der mängelfreien Abnahme.
Bei einem VOB-Vertrag steht dem Auftraggeber nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 in VOB/B noch das Recht zu, nach Abschluss des Bauvertrags auch Teile der vereinbarten Leistungen zu kündigen, soweit sie noch ausgeführt wurden. Für eine solche Teilkündigung zum Bauvertrag bedarf es keines besonderen Anlasses und keiner Angabe eines Grundes. Meistens ist das in der Praxis der Fall, wenn vom Auftraggeber selbst bereits ausbedungene Leistungen übernommen werden. Bei der Teilkündigung einer Leistungsposition, gleichlautend auch bei einem Verzicht der Ausführung oder einer Anordnung der Nichtausführung, ist die Leistungsmenge dann Null. Gesprochen wird dann von einer Null-Position.

Vergütung bei Kündigung

Sowohl bei einem VOB- als auch bei einem BGB-Bauvertrag steht dem Bauunternehmer als Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, weiterhin auch was er anderweitig erwirbt und was er böswillig zu erwerben unterlässt. Für die ersparten Aufwendungen sind nach dem Urteil des BGH vom 16. November 2016 (Az.: VII ZR 314/13) die „tatsächlichen“ Kosten, nicht die „kalkulierten“ Kosten maßgebend.
Der Auftragnehmer kann auch darlegen und beweisen, dass die tatsächlichen Aufwendungen höher sind und weniger erspart wurde, praktisch die vorherige Kalkulation nicht mehr zutreffend ist. Eine Kündigung des Bauvertrags zu wesentlichen Leistungsteilen als Wegfall von Leistungen im Sinne einer Teilkündigung zum Bauvertrag wird zwangsläufig auch mit „verlorenem Aufwand“ und Gewinnausfall aufgrund einer Unterdeckung kalkulierter Gemeinkosten verbunden sein. Nähere Aussagen werden hierzu mit einem Beispiel unter Vergütungsanspruch bei Kündigung des Bauvertrags getroffen. Bei einem BGB-Bauvertrag ist nach § 648 BGB noch zu vermuten, dass dem Bauunternehmer 5 % von der entfallenden Vergütung von dem noch nicht erbrachten Leistungsteil zustehen.
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