Da Bauprojekte komplexe Vorhaben sind, kommt es oft zu Streitigkeiten zwischen den Baubeteiligten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Konflikte beizulegen.
Häufige Gründe für Streitigkeiten bei Bauverträgen
Konflikte zwischen dem Bauherrn als Auftraggeber und dem bauausführenden Unternehmen entstehen oft sowohl bei VOB-Verträgen als auch bei BGB-Bauverträgen, wenn:
- Meinungsverschiedenheiten zu den Vertragsbedingungen vorliegen bzw. ein Vertragspartner seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt
- sich die Bauzeit verzögert
- sich die Vertragspartner über die Vergütungsfähigkeit und Höhe der Vergütung nicht einig werden
- gelieferte Materialien oder ausgeführte Arbeiten nicht den vereinbarten qualitativen Standards entsprechen
- sich Leistungen ändern oder dazukommen
- Uneinigkeit besteht über Eigenschaften von Baustoffen und Bauteilen und ggf. deren Zulässigkeit und Zuverlässigkeit
- sich über Haftungsfragen gestritten wird
- es durch mangelnde Kommunikation zu Missverständnissen oder unvollständigem Informationsfluss kommt
Bereits bei der Bauplanung und später bei der Bauausführung können Streitigkeiten zwischen den Baubeteiligten auftreten. Falls die Streitigkeiten andauern, kann die Liquidität des Bauunternehmens geschmälert sein. Eine rasche Entscheidung ist empfehlenswert. So können Streitfälle beigelegt werden:
Außergerichtliche Streitbeilegung
Zur Vermeidung und Beilegung von Streitigkeiten ohne staatliche Gerichte liefert die „Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SLBau)“ eine Grundlage. Die SL Bau – Streitlösungsordnung wurde gemeinsam vom Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e. V. (DBV) und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e. V. (DGfB) fortgeschrieben und als aktualisierte Fassung am 22. Dezember 2022 veröffentlicht. Unter dem Text finden Sie entsprechende Mustervereinbarungen und Musterverträge. Um Streitigkeiten zu minimieren, sollten Bauverträge verständlich und präzise formuliert sein.
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Danach bieten sich verschiedene Verfahren für eine Streitlösung an, so z. B.:
- Regelungen im „Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeteiligung (MediationsG vom 21. Juli 2012)“, wonach der Mediator als unabhängiger und neutraler Dritter eine einvernehmliche Beilegung des Konflikts anstrebt, ohne selbst dazu entscheidungsbefugt zu sein
- Aussagen im Abschnitt II der SL Bau
die Schlichtung zur Streitbeilegung als ein zwischen den streitenden Parteien freiwillig vereinbartes, nicht-öffentliches Verfahren, bei dem der Schlichter im Verfahren nicht entscheidungsbefugt ist und wofür die Ordnung bzw. Ausgestaltung des Verfahrens nicht einem verbindlich vorgeschriebenen Schema folgen muss, wiederum mit detaillierten Aussagen im Abschnitt III in der SL Bau die Adjudikation beim Bauen als außergerichtliches Verfahren zur Streitbeilegung durch einen entscheidungsbefugten Dritten mit vorläufiger Verbindlichkeit, der von einem Streitpartner beauftragt wird und selbst zum Streitfall und Sachverhalt ermitteln kann - den Regelungen zum „Schiedsrichterlichen Verfahren“ im Buch 10 der Zivilprozessordnung (ZPO) in den §§ 1025 bis 1066 und
- nach Abschnitt V in der SL Bau, wobei ein Schiedsgerichtsverfahren in der Bauwirtschaft oft bei großen Bauvorhaben und solchen, bei denen eine Arbeitsgemeinschaft (Bau-ARGE) als Auftragnehmer und Vertragspartner gegenüber dem Auftraggeber auftritt, herangezogen wird
ein Schiedsgutachtenverfahren zur Beurteilung sowie zur Feststellung von bautechnischen, baurechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen hinsichtlich einzelner, meist Teilstreitigkeiten durch die Parteien, die ggf. für ein späteres Gerichtsverfahren erforderlich sein könnten
Handelt es sich beim Vertragspartner um einen öffentlichen Auftraggeber oder um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, kann bei einem Streit auch die vorgesetzte Stelle – als ein bewährtes Verfahren zur Streitbeilegung bei öffentlichen Bauaufträgen – angerufen werden. Grundlage dafür liefert § 18 Abs. 2 in der VOB Teil B, wenn der Auftraggeber eine „Behörde“ ist. In der Regel ist dann zur Streitbeilegung der hierarchische Behördenaufbau mit vorgesetzten Stellen und entsprechender Verantwortung und Aufsicht gegenüber nachgeordneten Stellen maßgebend. Gerichtliche Streitbeilegung bei einem VOB-Vertrag
Liegen einem Bauvertrag die Vertragsbedingungen zur Ausführung von Bauleistungen nach der VOB Teil B zugrunde, trifft § 18 in VOB/B Regelungen zu Streitigkeiten. Sie sind grundsätzlich auch bei öffentlichen Bauaufträgen maßgebend. Mediation oder Schiedsverfahren sind alternative Methoden, um Konflikte zu lösen, die sowohl bei der Anwendung mit VOB-Verträgen als auch mit BGB-Bauverträgen auftreten können.
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Ist eine außergerichtliche Streitbeilegung erfolglos geblieben, kann eine gerichtliche Auseinandersetzung auf Grundlage der Zivilprozessordnung (ZPO) geführt werden. Maßgebend dafür sind die Voraussetzungen des § 38 ZPO. Die ZPO stellt zwingendes Recht dar.
Für einen VOB-Vertrag wird bestimmt, dass sich der Gerichtsstand für Streitigkeiten nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle richtet. Der Gerichtsstand ist dem Auftragnehmer auf Verlangen mitzuteilen. Geregelt wird damit lediglich die örtliche Zuständigkeit. Dagegen bleibt die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts unberührt, ob z. B. der Streit vor dem Amtsgericht oder einer Zivilkammer behandelt wird. Die Festlegung zum örtlichen Gerichtsstand gilt gleichermaßen für Bauverträge mit öffentlichen und privaten Auftraggebern, wobei aber vordergründig an öffentliche Auftraggeber gedacht wurde. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vertragspartner nach der ZPO auch berechtigt sind, den Gerichtsstand vertraglich festzulegen.
Durch die Festlegung in den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) ist es den Vertragspartnern aber auch möglich, den örtlichen Gerichtsstand im Einzelfall frei festzulegen. Die Festlegung bzw. Vereinbarung des Gerichtsstandes ist jedoch nicht maßgebend für eine Schiedsgerichtsvereinbarung, ebenfalls auch nicht in einem selbstständigen Beweisverfahren sowie nicht für gerichtliche Mahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO. Streitigkeiten bei BGB-Bauverträgen
Auf Grundlage des reformierten Bauvertragsrechts im BGB seit 2018 hat der bauausführende Unternehmer bei Begehren einer geänderten oder zusätzlichen Leistung durch den Besteller bei einem Bauvertrag nach BGB oder den Verbraucher bei einem Verbraucherbauvertrag Anspruch auf eine Anpassung der Vergütung nach § 650b und 650c BGB. Bei Streitigkeiten darüber wird die Situation erleichtert durch den möglichen Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 650d BGB bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht von Leistungsänderungen im Bauvertrag und einer Vergütungsanpassung. Nach Beginn der Bauausführung ist nicht erforderlich, dass "der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird". Vermutet wird damit, dass ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935 und 940 Zivilprozessordnung (ZPO) praktisch vorliegt. Für einen Verfügungsgrund bestanden in der Vergangenheit meistens hohe Hürden. Wenn durch den Besteller oder Verbraucher beispielsweise zu leistende Abschlagszahlungen nicht oder nur teilweise erfolgen, kann der Bauunternehmer den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen. Inzwischen ist ein Rechtsschutz einfacher zu erlangen, z. B. bei Streitigkeiten:
- zur Anordnung von Leistungsänderungen durch den Besteller oder Verbraucher hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit und schlussfolgernd
- zur Frage, ob der Bauunternehmer der Anordnung nachzukommen hat und inwieweit sie für ihn zumutbar ist
- zur Höhe der Vergütungsanpassung bei einvernehmlichen Leistungsänderungen sowie zusätzlichen Leistungen
- zur Höhe der geschuldeten und zu leistenden Abschlagszahlungen durch den Besteller bzw. Verbraucher nach § 650c Abs. 3 BGB einschließlich der Rückgewähr von erhaltenen Überzahlungen
- über eine zu gewährende Sicherheit zur Vergütung und vorgenommenen Zahlungen
Geändert wurden zu den angeführten Aussagen bei Streitigkeiten in Verbindung mit dem Bauvertragsrecht im BGB seit 2018 auch die §§ 71 und 119 sowie zugefügt § 72a im Gerichtsverfassungsgesetz. Danach sind u. a. bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten Zivilkammern für Streitigkeiten aus Bauverträgen sowie Architekten- und Ingenieurverträgen zu bilden.