Buchhaltung / Rechnungswesen

Bewertung der unfertigen Bauleistungen

Den größten Posten des Umlaufvermögens umfassen in einem Bauunternehmen die nicht abgerechneten bzw. unfertigen Bauleistungen, sofern aktivisch abgesetzte erhaltene Abschlagszahlungen unberücksichtigt bleiben. Mit der Abnahme und Abrechnung des Bauauftrags erfolgt dann die Einbeziehung in die Forderungen und Umsatzerlöse sowie die Realisierung des Gewinns.
Solange die Bauleistung unfertig ist, d. h. bis zum Bilanzstichtag noch keine Abnahme erfolgte, wird die Bewertung nach § 255 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) zu Herstellungskosten vorgenommen. Setzt sich ein Gesamtbauauftrag aus mehreren in sich abgeschlossenen Teilaufträgen zusammen, werden die Teilaufträge wie Einzelbauaufträge behandelt.
Zum Bilanzstichtag kann ein unfertiger Bauauftrag bzw. die Baustelle (wenn nur ein Bauauftrag auf der Baustelle ausgeführt wird) entweder einen operativen Gewinn oder einen operativen Verlust aufweisen. Entsprechend verschieden werden die Bewertungen vorzunehmen sein.
Zunächst soll die Bewertung von verlustfreien Bauaufträgen betrachtet werden. Das Handelsrecht lässt einen Ermessungsspielraum als Bilanzierungswahlrecht für den Umfang der Herstellungskosten offen. Wie sich die Herstellungskosten bauspezifisch nach Kostenpositionen zusammen setzen, wird an einem Beispiel unter dem Begriff „Herstellungskosten von Bauleistungen“ einschließlich Ausweis der Wertunter- und -obergrenzen für den Ansatz als Herstellungskosten demonstriert.
Eine solche Bewertung setzt zweckmäßigerweise eine Kosten- und Leistungsrechnung im Bauunternehmen voraus. Mindestens sind jedoch die direkten Kosten für Löhne, Stoffe, Baumaschinen und Geräte usw. pro Baustelle statistisch zu erfassen. Zum Jahresende können dann aus der Vergangenheit errechnete Zuschläge für Gemeinkosten auf den zu bewertenden Bauauftrag zugeschlagen werden.
Nunmehr soll ein Bauauftrag betrachtet werden, der zum Bilanzstichtag einen Verlust aufweist. Dann ist nicht mit den Herstellungskosten zu bilanzieren. Gemäß dem strengen Niedrigstwertprinzip sind Verlustbauaufträge handelsrechtlich auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuwerten, und zwar durch aktivische Absetzung von den Herstellungskosten.
Führt eine solche Abwertung jedoch zu einem negativen Wert, so ist bis auf Null abzuwerten und der über Null hinausgehende Wert zusätzlich als Drohverlust passivisch zurückzustellen. Es sind nicht nur die Verluste, die bis zum Bilanzstichtag anfielen, zu berücksichtigen, sondern auch die Verluste, die nach dem Bilanzstichtag evtl. auftreten und bis zum Ende der Bauzeit des Auftrages noch zu erwarten sind. Bei der Bewertung ist stets der Gesamtverlust vom Baubeginn bis zum Bauzeitende zu beachten, und zwar in Höhe der Differenz zwischen den voraussichtlichen Gesamtkosten und dem niedrigeren zu erwartenden Bauerlös (Auftragswert).

Beispiel

Den Zusammenhang sollen zwei Beispiele im Folgenden deutlich machen:
  1. Der Bauauftrag A ist als verlustfreier Auftrag zu Herstellungskosten im Umfang von höchstens 95 zu bewerten, möglicherweise auch niedriger, jedoch mindestens zu 70.
  2. Der Bauauftrag B weist zum Bilanzstichtag bereits einen Verlust auf, d. h., der Umfang der Herstellungskosten ist größer als der Wert der unfertigen Bauleistung (vgl. Zeilen 4 und 5). Zu unterstellen ist, dass der Verlust weiterhin im gleichen Verhältnis zur Bauleistung bis zur Abnahme zunehmen kann, d.h. auf insgesamt 50. Zum Bilanzstichtag ist der bisherige Verlust (aus Zeile 6) abzuwerten und maximal von 100 als Ansatz in Zeile 9 auszugehen.
Beispiel zur Bewertung bei Verlustaufträgen:
Pos.KostenpositionBauaufträge bzw. Baustellen
AB
1.Einzelkosten des Auftrags
- Einbaustoffe4050
- Baulöhne3036
2.+ Baustellengemeinkosten (BGK)1016
3.+ Allgemeine Geschäftskosten (AGK = 50 % vom Baulohn)1518
4.= Herstellungskosten gesamt95120
5.Unfertige Bauleistungen zum Bilanzstichtag100100
6.Gewinn bzw. Verlust+ 5- 20
7.Fertigstellungsgrad zu der unfertigen Bauleistung in % zum Bilanzstichtag vom gesamten Auftragswert40 %40 %
8.Auftragswert gesamt250250
9.Höchstwert für Herstellungskosten zum Bilanzstichtag95100
10.- noch zu erwartender Verlust bis Abnahme-- 30
11.= Beizulegender Wert zum Bilanzstichtag(95)70
In der Handelsbilanz sind Drohverlustrückstellungen (Verluste aus schwebenden Geschäften) wie dargestellt und bisher praktiziert zwingend zu bilden. Sie dürfen nur aufgelöst werden, wenn der Grund ihrer Bildung entfallen ist (§ 249 Abs. 3 HGB). Demgegenüber sind die Drohverluste aus unfertigen Verlustbauaufträgen nicht in der Steuerbilanz zu passivieren (gem. § 5 Abs. 4a Einkommensteuergesetz-EStG). Damit fällt der Ergebnisausweis zwischen Handels- und Steuerbilanz sehr unterschiedlich, d.h. periodenverschoben aus.
Das Ergebnis laut Steuerbilanz und folglich der Steueraufwand werden zunächst höher (z. T. sehr viel höher) gegenüber dem Handelsbilanzergebnis sein. Diese negativen Auswirkungen könnten durch eine Aktivierung eines evtl. latenten Steueraufwands in der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) gemildert werden. Die negativen Wirkungen bzw. unterschiedlich hohen Passivierungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sind um so geringer, je weniger Verlustaufträge einerseits vorliegen und zum anderen mit zunehmendem Baufortschritt die Rückstellungen durch eine verlustfreie Auftrags- bzw. Baustellenbewertung verdrängt werden.
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