Die Sicherheitsleistung nach VOB ist eine Absicherung, die bei Bauverträgen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verwendet wird. Sie soll Vertragserfüllung und Mängelbehebung gewährleisten.
Wer hat Anspruch auf Sicherheitsleistung?
Beide Partner eines Bauvertrags haben Anspruch auf eine Sicherheitsleistung zu Bauleistungen – egal welche Art von Bauvertrag vorliegt. Der Bauherr als Auftraggeber hat Anspruch auf eine Sicherheit vom Bauunternehmen als Auftragnehmer für die vertragsgemäße Ausführung von Bauleistungen und eventuelle Mängelansprüche. Zunächst ist die termingerechte Vertragserfüllung von Baumaßnahmen zu unterstützen. Nach Fertigstellung und Abnahme sind etwaige Ansprüche zur Mängelbeseitigung abzusichern. Mit der Sicherheitsleistung soll Gefahren und künftigen Rechtsverletzungen von vornherein begegnet werden. Das Bauunternehmen als Auftragnehmer hat Anspruch, vertragsgemäß ausgeführte Bauleistungen vergütet zu bekommen. Zur Sicherheit können hierfür Vorschriften im BGB herangezogen werden.
Eine Sicherheitsleistung bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung im Bauvertrag. Allein die Vertragsgestaltung und Vereinbarung nach VOB bedeutet aber noch nicht, dass der Auftragnehmer Sicherheit leisten muss. Ohne Vereinbarung bleiben die Aussagen nach VOB gegenstandslos. Regelungen zu VOB-Verträgen
Wird zur Baumaßnahme ein VOB-Vertrag zugrunde gelegt, gelten zur Sicherheitsleistung folgende Regelungen: in der VOB Teil A bei nationalen Ausschreibungen und Vergaben im Unterschwellenbereich nach § 9c im Abschnitt 1 (Basisparagrafen) und analog im § 9c EU im Abschnitt 2 bei EU-weiten Ausschreibungen bei Erreichen der Schwellenwerte und § 9c VS bei verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Baumaßnahmen und in § 17 der VOB Teil B zu vertraglichen Vereinbarungen.
Verwiesen sei weiterhin zur Sicherheitsleistung bei öffentlichen Bauaufträgen auf die Vorschriften in den Vergabe- und Vertragshandbüchern zu: Hochbaumaßnahmen in Tz. 4 bis 6 der Richtlinie 214 im VHB-Bund (Stand 2019) zu den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB), wonach die Möglichkeit zur Wahl des Verzichts oder der Vereinbarung einer prozentualen Sicherheit vorgesehen wird und Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau nach HVA B-StB – Ausgabe 2023 im Richtlinientext unter Tz. 2.7 – Sicherheitsleistungen.
Formen der Sicherheitsleistung gemäß VOB
Bei einem VOB-Vertrag kann Sicherheit für Vertragserfüllung und Mängelansprüche gegenüber dem Auftraggeber nach folgender Art geleistet werden: Soweit nicht die angeführten Arten speziell vereinbart werden, gelten nach § 17 Abs. 1, Nr. 1 VOB Teil B die Sicherheitsleistungen nach §§ 232 bis 240 BGB. Detaillierte Erläuterungen lesen Sie dazu hier. Unter den Arten gilt die Sicherheit durch Bürgschaft als Vorzugsvariante. Für den Auftragnehmer bietet sie den Vorteil, dass die Kosten bzw. Provision für die Avale geringer sind als die Mehrkosten, wenn durch Einbehalt das Geld fehlt, evtl. Zinsen für aufzunehmende Kredite anfallen und die Liquidität geschmälert wird. Wer als Bürge infrage kommt, ist in § 17 Abs. 2 VOB Teil B aufgeführt. Die Kreditinstitute der EU sind in einer von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erstellten und jeweils im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Bankenliste angegeben. In dieser Liste sind die in Deutschland zugelassenen Kreditinstitute bzw. Kredit- und Kautionsversicherer aufgeführt.
Wenn der Auftragnehmer bei vereinbarter „Sicherheit durch Bürgschaft“ aber nicht in der Lage ist, eine solche zu stellen, kann sich der Auftraggeber „Sicherheit durch Einbehalt von Geld“ nehmen.
Die Wahl unter den angeführten Arten der Sicherheit kann der Auftragnehmer treffen. Er hat das einseitige Recht zur Wahl, und zwar ohne besondere Vereinbarung. Der Auftraggeber kann dieses Wahlrecht nicht nach seinen Wünschen beeinflussen oder ggf. sogar in Geschäftsbedingungen vorschreiben, beispielsweise ein Einbehalt von Geld und evtl. noch unter Ausschluss einer Verzinsung.
Derartige Vertragsklauseln sind von vornherein unwirksam. Ist die Art der Sicherheitsleistung nicht im Vertrag vereinbart worden, sollte der Auftragnehmer dem Auftraggeber seine Wahl zur Art mitteilen. Dafür können die unten angeführten Musterbriefe herangezogen werden.
Austausch von Sicherheitsleistung
Der Auftragnehmer kann auch eine Sicherheit durch eine andere ersetzen. Letzteres gilt selbst dann, wenn er bereits eine Sicherheit geleistet hat. Der Auftraggeber kann dieses Austauschrecht auch mit Vertragsklauseln nicht ausschließen. Finden sich in den Vertragsbedingungen des Auftraggebers Beschränkungen, müssten diese inhaltlich kontrolliert werden. Für das Verlangen nach Austausch der Sicherheitsleistung durch den Auftragnehmer können die Musterbriefe genutzt werden. Der Austausch einer Sicherheit durch den Auftragnehmer setzt aber voraus, dass bei Forderung auf Herausgabe der alten Sicherheit die neue zeitgleich gewährt wird. Als Beispiel sei angeführt, dass die Auszahlung des bisherigen Einbehalts durch den Auftraggeber verbunden wird mit der Übergabe einer Bürgschaftsurkunde. Beim Austausch ist es ebenfalls wieder Recht des Auftragnehmers, zwischen den Arten der Sicherheit zu wählen.
Höhe der Sicherheitsleistung
- max. 5 % von der Auftragssumme für die gesamten Vertragsverpflichtungen für die Ausführungs- bzw. Vertragserfüllungssicherheit und
- max. 3 % von der Abrechnungssumme für Mängelansprüche.
Grundsätzlich sollen die Sicherheiten nicht höher als nötig bemessen werden, um das Bauunternehmen als Auftragnehmer nicht zu hoch zu belasten, aber andererseits den Auftraggeber angemessen vor Schaden zu bewahren.
Sofern es nicht öffentliche Bauaufträge betrifft, können für die Sicherheit auch höhere Sätze nach „gewerblicher Sitte“ angesetzt und vertraglich bestimmt werden, so meistens: - max. 10 % für die Ausführungs- bzw. Vertragserfüllungssicherheit und
- max. 5 % für die Mängelansprüche-Sicherheit.
Grundlagen für die Berechnung der Mängelansprüche-Sicherheit bilden:
Wann sollte auf Sicherheitsleistung verzichtet werden?
Nach den Regelungen in den o. a. §§ 9c in VOB Teil A bleibt hervorzuheben, dass Wann ist die Sicherheit für Vertragserfüllung zu leisten?
Das Bauunternehmen als Auftragnehmer ist bei einem VOB-Vertrag verpflichtet, die Sicherheit für die Vertragserfüllung binnen 18 Werktagen (= 3 Wochen) nach Vertragsabschluss mit Bezug auf § 16 Abs. 7 VOB Teil B zu leisten, sofern die Partner keine anderen Fristen bzw. Einbehalte vereinbart haben, z. B. in Form der Einbehalte von Geld. Der Auftragnehmer hat dann die Wahl nach den o. a. verschiedenen Arten der Sicherheit. Für die Aufforderung des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer mit Aufzeigen von Konsequenzen können die Musterbriefe verwendet werden. Kommt der Auftragnehmer dieser Pflicht nicht nach, kann der Auftraggeber die insgesamt vereinbarte Sicherheit beispielsweise von der ersten Abschlagsrechnung absetzen bzw. bei der Abschlagszahlung einbehalten. Wurde Bürgschaft als Form der Sicherheitsleistung vorgesehen, schließt eine nicht rechtzeitige Vorlage einer Bürgschaft keine Berechtigung zur Kündigung des Bauvertrages ein. Der Auftraggeber darf dann vom Guthaben des Auftragnehmers, z. B. von der ersten Abschlagszahlung, einen Betrag in Höhe der vereinbarten Sicherheit einbehalten. Bestehen zur Abnahme einer Baumaßnahme noch Vertragserfüllungsansprüche, so ist dafür eine gesonderte Sicherheit zu stellen, bei Bürgschaft als Sicherheit durch eine gesonderte Urkunde. Die Sicherheitsleistung soll gewährleisten, dass die Bauarbeiten rechtzeitig fertig sind und nach Abschluss mögliche Mängel behoben werden. So soll Problemen und Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden.
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Sicherheit zur Vertragserfüllung durch Teilbeträge
Das erfolgt oft in Höhe von maximal 10 % von jeder Abschlagsrechnung bzw. Abschlagszahlung, bis die Gesamtsumme der Sicherheitsleistung erreicht ist. In der Praxis erfolgt dies oft im Vertragsverhältnis zwischen den bauausführenden Unternehmen, z. B. zur Sicherheitsleistung eines Nachunternehmers (NU) gegenüber einem Generalunternehmer bzw. Hauptunternehmer. Ein Beispiel für die Sicherheitsleistung für Vertragserfüllungen zwischen Nachunternehmer und Generalunternehmer:
◦ Auftraggeber: Generalunternehmer (GU) – Umsatzsteuerschuldner als Steuerschuldner nach § 13 B Umsatzsteuergesetz.
◦ Auftragnehmer: Nachunternehmer (NU) – stellt Abschlagsrechnungen Netto ohne Umsatzsteuer an GU.
Auftragssumme Netto | = 100.000 € |
Sicherheitsleistung für Vertragserfüllung (5 %) | = 5.000 € |
1. Abschlagsrechnung vom NU | = 20.000 € |
Einbehalt durch GU (5 %) | = 1.000 € |
2. Abschlagsrechnung vom NU | = 30.000 € |
Einbehalt durch GU (5 %) usw. | = 1.500 € |
Rückgabe von Sicherheitsleistung
Wurde als Sicherheitsleistung für die Vertragserfüllung während der Bauausführung ein Einbehalt durch den Auftraggeber vorgenommen, ist er nun mit der Schlusszahlung zu entrichten, sofern keine Vertragserfüllungsansprüche mehr bestehen und keine Einzahlung auf einem Sperrkonto erfolgte. Andernfalls bleibt zu klären, in welchem Umfang das Sperrkonto aufgelöst wird bzw. mit einem Betrag als Sicherheit für Mängelansprüche weitergeführt wird. Für die Rückgabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft wird im Bauvertrag in der Regel keine Vereinbarung getroffen. Dies ist auch nicht erforderlich, da diese spätestens mit der Fertigstellung zurückzugeben sind, wobei hier als maßgeblicher Termin in der Regel der Zeitpunkt der Abnahme und Stellung der Sicherheit für Mängelansprüche anzusehen ist, es sei denn, dass Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt sind. Wurden Sicherheiten für Mängelansprüche nicht verwertet, sind sie nach Ablauf von zwei Jahren zurückzugeben. Dies resultiert aus einer früher bis 2002 geltenden Mängelansprüchefrist nach VOB von nur zwei Jahren. Grundlage war der Umstand, dass nach der geltenden Mängelansprüchefrist von vier Jahren nach § 13 Abs. 4, Nr. 1 VOB Teil B höhere Liquiditätsschmälerungen infolge von länger laufenden Einbehalten und Bürgschaften für den Auftragnehmer auftreten können. Deshalb sollte auch möglichst kein längerer Rückgabezeitpunkt vereinbart werden. Bestehen jedoch über die zwei Jahre hinaus noch Ansprüche aus Mängeln, darf der Auftraggeber weiter die ihm gewährte Sicherheitsleistung beanspruchen.
Wurde darüber hinaus auch noch ein Druckzuschlag nach § 641 Abs. 3 BGB vereinbart, kann der Auftraggeber auch diesen berücksichtigen. Auf jeden Fall sollte nach zwei Jahren nach Abnahme der Bauleistung dann die Sicherheitsleistung für Mängelansprüche Zug um Zug reduziert bzw. in wertmäßig geringere Bürgschaften ausgetauscht werden. Sicherheitsleistung bei Insolvenz des Auftragnehmers
Das Bauunternehmen als Auftragnehmer kann insolvent werden. Ist die Sicherheit bereits vorher geleistet worden und auch nicht anfechtbar, dann ist der Anspruch aus der Sicherheitsleistung auch nicht vorzeitig fällig, wenn der Auftragnehmer insolvent wird. Dem Auftraggeber steht die Sicherheitsleistung bis zum Ende des vereinbarten Termins zu, er kann sie behalten. Am sichersten sind die Ansprüche für den Auftraggeber in der Regel bei einer Bürgschaft und bei Einzahlung des Einbehalts auf ein „Und-Konto“. Letzteres bringt den Vorteil, dass es mit einer dinglichen Wirkung verbunden ist. Der Auftragnehmer muss im Falle seiner Insolvenz seinen Anspruch gegenüber dem Auftraggeber auf Rückgabe der Bürgschaft bzw. Auszahlung des Einbehalts als Insolvenzforderung anmelden und einfordern. Ein Beitrag von Prof. Dr. Siegmar Kloß.