Erfolgt die Preisermittlung für das Angebot einer Baumaßnahme als Endsummenkalkulation, so kann bei öffentlichen Bauaufträgen von der Vergabestelle bei einer voraussichtlichen Angebotssumme von mehr als 50.000 € nach Tz. 1 in der Richtlinie im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017 - Stand 2019) gefordert werden. Die Vorlage des ergänzenden Preis-Formblatts 222 (EFB-Preis) kann bereits in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (im Formblatt 211 nach VHB-Bund) oder auf Verlangen der Vergabestelle bzw. Aufforderung durch den Auftraggeber innerhalb von 6 Kalendertagen nach § 16a im Abschnitt 1 in der VOB/A bei nationalen Ausschreibungen im Unterschwellenbereich (analog bei EU-weiten Ausschreibungen nach § 16a EU im Abschnitt 2 sowie bei verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Baumaßnahmen nach § 16a VS im Abschnitt 3 der VOB/A) erfolgen. In der Tz. 1 der Richtlinie 211 (Stand 2019) wird für den Anwendungsbereich des VHB neu darauf verwiesen, dass auch auf die "Vorlage verzichtet werden kann, wenn stattdessen die Vorlage einer Urkalkulation gefordert wird". Im Formblatt 222 werden inhaltlich in 3 Abschnitten Aussagen verlangt:
im Abschnitt 3 die vorkalkulierten Summen in € für den jeweiligen Bauauftrag zu den BGK (mit differenziertem Ausweis von Einzelpositionen), AGK sowie unterteilt nach Gewinn und Wagnis sowie weiterer Differenzierung nach betriebsbezogenem Wagnis (für das allgemeine Unternehmenswagnis) und leistungsbezogenem Wagnis, das unmittelbar bei Bauauftrag mit der Ausführung der Bauleistungen verbunden ist.
Die Unterteilung des Wagnisses leitete sich als Umsetzung eines Urteils des BGH vom 24. März 2016 (Az.: VII ZR 201(15) ab. Danach rechnet ein betriebsbezogenes Wagnis als unternehmerisches Risiko nicht als ersparte Aufwendung und ist - beispielsweise bei einer Vergütungsanpassung zu Mindermengen beim Einheitspreisvertrag - nicht abzusetzen. Folglich erfordert dies eine differenzierte Aussage zum Wagnis mit dem Angebot in den EFB-Preisblättern. Das unten angeführte Beispiel als ausgefülltes Formblatt 222 veranschaulicht die inhaltlichen Aussagen und zugleich die Verfahrensweise der Endsummenkalkulation. Berücksichtigt werden die letzten Änderungen im Abschnitt 3.3 zu Wagnis und Gewinn sowie der bereits seit VHB-Ausgabe 2016 erfolgte Ausweis der Lohngebundenen Kosten unter Tz. 1.2 (vorher Lohnzusatzkosten).
Gegenüber dem EFB-Preisblatt 221 für die Zuschlagskalkulation - beispielhaft unter einfache Zuschlagskalkulation demonstriert - stellt das Formblatt 222 höhere Anforderungen wie auch selbst zur Endsummenkalkulation mit der auftragsbezogenen Bestimmung der BGK und deren Ausweis im Abschnitt 3.1 im Formblatt insgesamt oder differenziert nach Kostenarten und/oder mit Nachweis in den Unterpositionen 3.1.1 bis 3.1.5. Dabei ist betriebsindividuell zu entscheiden, ob beispielsweise Gehaltskosten für Bauleitung, Abrechnung u. a. (Pos. 3.1.2) und evtl. anfallende Sonderkosten der Baustelle (Pos. 3.1.5 im Formblatt 222) nicht in den BGK, sondern mit in den AGK berücksichtigt werden. Die direkt ermittelten BGK werden nunmehr in der Kalkulation nicht bezuschlagt, sondern in der ermittelten Höhe den Einzelkosten hinzugerechnet. Weiterhin sind die AGK sowie Wagnis und Gewinn zu berücksichtigen, wobei die umzulegenden AGK sowie auch Wagnis und Gewinn in der Regel „umsatzbezogen“ betriebsindividuell ermittelt werden. Weiterhin ist eine Differenzierung für Eigenleistungen und Nachunternehmer- bzw. Fremdleistungen möglich und zu empfehlen.
Im Ergebnis der Kalkulation steht die Angebotssumme (ohne Umsatzsteuer) als Summe aus den Abschnitten 2 und 3 im Formblatt 222. Die Gesamtbeträge der BGK, AGK und W&G bilden zusammen die in der Kalkulation zu verrechnende Gesamtumlage. Sie wird durch Subtrahieren der Einzelkosten (Summe aus 2) von der Angebotssumme berechnet, im Formblatt 222 im Beispiel in Höhe von 130.000,00 € für das Angebot: 500.000,00 € ./. 370.000,00 € = 130.000,00 € = Umlage auf die Einzelkosten (EKT)
Dieser umzulegende Betrag entspricht praktisch dem Deckungsbeitrag des Angebots, im Beispiel von 26 % als Anteil von der Angebotssumme mit den einzelnen Anteilen von 6 % für BGK, 14 % für AGK und 6 % für W&G. Zusätzlich wird im Ausweis des Formblatts noch die Zusammensetzung der Umlagesummen zu den Kostenarten in absoluten Beträgen (€) verlangt mit Differenzierung nach BGK, AGK und W&G im Zwischenteil zu den Tz. 2.1 bis 2.5. Sie leitet sich rechnerisch ab als Anteil vom Umlagebetrag gesamt unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Beträge aus den Tz. 3.1 bis 3.3. zu BGK, AGK und W&G zum gesamten Umlagebetrag. Die in EURO ausgewiesenen Beträge können auch als prozentuale Anteile für spezielle Aussagen berechnet und ausgewiesen werden.
Für die Wahl der Umlagen, nach denen dieser Kostenblock verteilt werden soll, ist ein weiter Spielraum gegeben: angefangen von der gleichmäßigen Umlage auf alle Kostenarten der Einzelkosten über
die Festlegung von unterschiedlichen Zuschlagsätzen für jede Einzelkostenart über
die Festlegung fester Umlagesätze für die Kostenarten außer Lohn bis zur
Umlage der Restgemeinkosten auf den Lohn.
Letztere Variante ist in der Baupraxis überwiegend üblich und wurde auch im Beispiel herangezogen.
Die Umlagesätze (im Formblatt auf S. 2 im oberen rechten Teil) für die Verteilung der Gemeinkosten und des Gewinns auf die einzelnen Kostenarten sind baupraktisch in den folgenden Spannen anzunehmen: ca. | 18 bis 30 % | auf Stoffkosten, |
ca. | 8 bis 15 % | auf Gerätekosten einschl. Hilfs- und Betriebsstoffe, |
ca. | 3 bis 8 % | auf Sonstige Kosten und |
ca. | 8 bis 13 % | auf Nachunternehmerleistungen |
Daraus lässt sich dann ein Umlagesatz:
- insgesamt für Gemeinkosten und W&G von ca. 30 bis 45 % auf die Einzelkosten sowie
- mit Bezug auf die eigenen Lohnkosten (auf Grundlage des Kalkulationslohns) von ca. 50 bis 75 % ableiten.
Die Umlagesätze sollten grundsätzlich auftragsindividuell festgelegt und geprüft werden, und zwar unter Berücksichtigung der Bauleistungsstruktur und der Bauleistungssparte wie Hochbau, Tiefbau u. a. des jeweiligen Bauauftrags.
Mittels der gewählten Umlagesätze auf die Kostenarten – außer Lohn – werden Anteile der Gesamtumlage auf die entsprechenden Einzelkostenarten umgelegt (Vorabumlage). Basis der Umlagesätze sind die jeweiligen Einzelkostensummen des Angebots in den betreffenden Kostenarten, dargestellt im Formblatt 222 im Abschnitt 2 in den Umlagespalten.
Die verbleibende Restumlage von 90.840,00 € wird angezeigt und ist auf die Einzelkostensumme Lohn (von 199.000 €) zu verrechnen. Auf Basis des Kalkulationslohns (KL - Zeile 1.4 im Formblatt 222) lässt sich mit dem berechneten Umlagesatz der zu verrechnende Umlagebetrag je Lohnstunde – im Beispiel von 15,54 €/h in Zeile 1.5 im Formblatt 222 – ermitteln. Zusammen mit dem Kalkulationslohn errechnet sich der Verrechnungslohn als Angebotslohn in der Aussage als Preis einer Lohnstunde, für die Beispielkalkulation in Zeile 1.6 im Formblatt 222 ein Betrag von 49,58 €/h. Dieser Umlagesatz ist nicht vergleichbar mit den Verrechnungslöhnen bei Anwendung anderer Kalkulationsverfahren (wie einfacher und differenzierter Zuschlagskalkulation). Er kann auch sehr unterschiedlich hoch von Bauauftrag zu Bauauftrag sein. Die gewählten Umlagesätze für die anderen Kostenarten bzw. der berechnete Umlagesatz auf Lohn werden abschließend für die Berechnung der Einheitspreise (EP) der einzelnen Leistungspositionen herangezogen. Ein direktes Ausfüllen sowie Überprüfen des EFB-Preis-Formblatts 223 ist mit dem Onlinedienst unter www.efb-preis.de der Firma f:data GmbH Weimar/Dresden praktikabel und einfach möglich und von Vorteil, wenn der Auftraggeber bzw. die Vergabestelle vom Bieter mit dem Angebot (oder ggf. einer Nachfrist) eine EFB-Preis Vorlage verlangt. Beispiel: Ergänzendes Formblatt Preise 222 nach VHB-Bund (Ausgabe 2017; Stand 2019) bei Kalkulation über die Endsumme (konkretes Kalkulationsbeispiel):

Ausgefülltes EFB-Preis Formblatt 222-1 bei Kalkulation über die Endsumme

Ausgefülltes EFB-Preis Formblatt 222-2 bei Kalkulation über die Endsumme
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